Erster europaweiter Generalstreik geplant
In Deutschland rufen jetzt auch DGB-Gewerkschaften zu Kundgebungen auf.
Am 14. November gibt es eine Premiere in der europäischen Protestagenda. In Italien, Spanien, Portugal, Zypern und Malta organisieren die Gewerkschaften erstmals koordiniert einen Generalstreik gegen die Krisenpolitik. Zu dem vom Europäischen Dachverband initiierten Streik rufen auch zahlreiche Basisgewerkschaften auf.
Schien sich der Ausstand zunächst auf Südeuropa zu beschränken, wollen sich nun auch belgische Gewerkschaften daran beteiligen. Dazu dürfte auch beigetragen haben, dass das Ford-Werk in Genk geschlossen werden soll. In einer Spontanaktion beteiligten sich daraufhin 200 Arbeiter am 7. November an einer Protestaktion vor den Fordwerken in Köln, was einen Großeinsatz der Polizei auslöste. Für den 14. November planen die belgischen Ford-Arbeiter erneute Streiks und Proteste.
Weckruf an die Kollegen in Deutschland
"Wir wollten unsere Kölner Kollegen warnen. Jeden Tag kann es passieren, dass die da oben weitere Stellenstreichungen und ganze Werksschließungen verabschieden", begründete ein belgischer Arbeiter seinen Protest in Köln. Diese Worte könnten durchaus auch bei einigen Kollegen im Bochumer Opelwerk auf offene Ohren stoßen. Schließlich ist das Werk von Schließung bedroht und noch 2004 hatten die Beschäftigten einen einwöchigen wilden Streik organisiert. Doch nach der Einschätzung von Wolfgang Schaumberg, der lange Zeit in der linksgewerkschaftlichen Gruppe Gegenwehr ohne Grenzen aktiv war, ist dort aktiver Widerstand zurzeit nicht zu erwarten. "Alle rechnen sich aus, ob sie mit Abfinden aus dem Betrieb ausscheiden sollen", beschreibt Schaumberg die aktuelle Situation.
So kommt unter den Kollegen kein Widerstandswille auf und die Unterstützer aus der näheren und weiteren Umgebung, die noch 2004 den Streik mitgetragen haben, werden nicht zu Aktionen bereit sein, wenn es keine Signale aus dem Werk gibt, so die Einschätzung. Wenn sich selbst bei Opel-Bochum trotz Schließungsdrohung und kämpferischen Traditionen wenig regt, kann man in anderen Teilen der Metallbranche auf noch weniger Bereitschaft zählen, sich am Streik zu beteiligen. Die IG-Metall hat in einem auch gewerkschaftsintern umstrittenen Aufruf mit dem Titel "Für ein krisenfestes Deutschland und ein soziales Europa" ein Loblied auf die "Wirtschaftslokomotive Deutschland" angestimmt, die kräftig Dampf ausstoße. Damit sie das auch in Zukunft tut, soll nach den Vorstellungen der IG-Metall der Lohn erhöht und einige Steuerreformen umgesetzt werden. Von den Streiks in vielen europäischen Ländern ist in dem Aufruf nichts zu lesen.
Diese Linie der Sozialpartnerschaft hat sich in der IG-Metall während der aktuellen Wirtschaftskrise verstärkt. Die staatliche Politik mit Kurzarbeiterregelung und Abwrackprämie wurde von der IG-Metall unterstützt. Hintergrund dieser Politik ist nach Meinung des Sozialwissenschaftlers Peter Birke, der zum aktuellen Krisenbewusstsein geforscht hat, die Fragmentierung in der Lohnarbeiterschaft in Deutschland. Ein Krisenbewusstsein sei bereits seit mehreren Jahren vorhanden, was einen Gewöhnungsprozess befördert. Zudem erschwere die Spaltung der Arbeiterschaft in Kernbelegschaften und Leiharbeiter einen gemeinsamen Widerstand. Daher wird es in Deutschland am Mittwoch wohl nicht zu Streiks, wohl aber zu Kundgebungen und Demonstrationen kommen, zu denen auch der DGB und zahlreiche linke Gruppen aufrufen.
Wie in Berlin ist auch in zahlreichen anderen Städten am kommenden Mittwoch ein gemeinsamen Vorgehen von Gewerkschaften und Solidaritätsinitiativen geplant. Letztere sehen die Teilnahme der Gewerkschaften als Erfolg und erhoffen sich eine stärkere Beteiligung an den Aktionen. Die europäische Revolution, wie sie Ex-Kanzler Helmut Schmidt kürzlich prophezeite, wird am 14. November sicher nicht auf der Tagesordnung stehen. Aber ein erfolgreicher Streik in mehreren Ländern könnte dafür sorgen, dass länderübergreifende Ausstände und andere Proteste im EU-Raum zukünftig zunehmen. Dazu wird es aber nur kommen, wenn wie Arno Klönne mit Recht anführt, die "vaterländischen Illusionen" unter den Lohnabhängigen sich auflösen. Darüber wird bisher aber nur am linken Flügel der Bewegung diskutiert. Das Berliner M31-Bündnis, das zum europaweiten Aktionstag am 31. März mobilisierte, will mit sich in seinem Aufruf zum Aktionstag gegen jede Standortlogik aussprechen.