Eurogruppenchef Centeno von allen Seiten unter Kritik

(Bild: Foto: Wassilis Aswestopoulos)

Beschönigende Aussagen zu Griechenland: Dem Portugiesen wird "Reinwaschen" und "Propaganda" im Stil Nordkoreas vorgeworfen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der neue portugiesische Eurogruppenchef Mario Centeno muss sich in seiner Heimat und weit darüber hinaus harte Kritik aus allen politischen Lagern anhören. Seine Aussagen in einem Video zur Tatsache, dass Griechenland nun angeblich sein drittes und letztes makroökonomisches Anpassungsprogramm "erfolgreich" abgeschlossen habe, stoßen auf massiven Widerspruch.

Centeno fabuliert: "Griechenland hat die Kontrolle wiedererlangt, um die es gekämpft hat." Allein dieser Satz muss einem die Haare zu Berge stehen lassen, wenn man weiß, dass das Land sogar bis 2060 quartalsmäßig inspiziert werden wird und unter enger Beobachtung der Kreditgeber steht.

"Verhöhnung!"

Es kommt vielen wie eine Verhöhnung vor, wenn Centeno zum Beispiel erklärt, das Land sei "nun in der Lage, die Mitgliedschaft im Euro-Währungsgebiet in vollem Umfang wahrzunehmen, und zwar zu den gleichen Regeln wie jedes andere Euro-Land". Dabei muss Griechenland alleine bis 2022 weitere 250 Maßnahmen umsetzen und es bleiben mehr als 5.000 sozial einschneidende Gesetze und Regelungen in Kraft.

Zudem sind neue Rentenkürzungen und Steuererhöhungen schon geplant. Außerdem kann wohl kaum als Erfolg der Austeritätspolitik verkauft werden, dass die Staatsschuldenquote von einst "untragbaren" 128% der jährlichen Wirtschaftsleistung nun – trotz Schuldenerleichterungen – auf sogar 180% explodiert ist. Diese, heute auch nominal höhere Verschuldung als 2010, soll nun also bei einer geringeren Wirtschaftsleistung tragbar sein?

Das kann Centeno nicht ernsthaft glauben und das glauben auch seine Parteifreunde in Portugal nicht. Deren harte Kritik, wie die des PS-Abgeordneten João Galamba, dürfte Centeno besonders schmerzen, schließlich wird er damit aus der eigenen Sozialistischen Partei (PS) abgewatscht.

"Bedauerlich" nennt Galamba Centenos Aussagen. Der wolle offensichtlich das von den "europäischen Institutionen angerichtete Desaster reinwaschen", das in Griechenland angerichtet worden ist. Den "erfolgreichen Abschluss" der Austeritätsprogramme, die Griechenland besonders hart aufgedrückt wurden, kann auch der PS-Abgeordnete offensichtlich nicht sehen.

Angeblich soll aber Griechenland, nach Centeno, auf einem "langen und kurvenreichen Weg" seine "Lektionen gelernt haben". Dabei räumt auch er ein, dass noch nicht alle Teile der Bevölkerung vom Wirtschaftswachstum, neuen Jobs, Reformen und der Modernisierung der Wirtschaft profitieren würden.

Der portugiesische Anti-Schäuble wechselt das Lager?

Doch er verspricht, dass dies bald der Fall sein werde. Vertritt jetzt der einstige Anti-Schäuble plötzlich die segensreichen Wirkungen der Austeritätsprogramme, die er mit der Linksregierung in Portugal erfolgreich abgeklemmt hat? Man fragt sich angesichts der Arbeitslosenquote von noch immer mehr als 20% in Griechenland (bei jungen Menschen mehr als 42%) und einer allgemeinen Massenverarmung, wo die Erfolge dieser Politik sind?

In Portugal hat es die Linksregierung jedenfalls geschafft, dass auch Renten und Löhne steigen, Steuern gesenkt werden und die Arbeitslosigkeit nun sogar saisonbereinigt auf 6,7% zurück gegangen ist.
So sind die Aussagen von Centeno sogar der konservativen PSD zu viel.

Für den Oppositionspolitiker Miguel Morgado ist es mehr als "ironisch", dass Centeno einst die Troika und ihre Austeritätsprogramme scharf angegriffen hat und sich nun in "schönen Worten" über ein Land ergeht, das acht Jahre nach seiner Rettung von seinen Problemen aufgefressen werde. Besonders scharf kritisiert für den Linksblock (BE) José Gusmão die Worte von Centeno als "absurd".

Sie seien "beleidigend" für die Griechen und "klärend" für die Portugiesen. Es sei klar, dass die portugiesische Regierung keinen Abgesandten in der Eurogruppe gewonnen hat, sondern ein einstiger Gegner des Austeritätskurs nun ebenfalls diese Politik vertritt.

Die finanzpolitische Sprecherin des Linksblocks hält Centenos Positionen "gefährlich für Portugal und Europa", da der Eurogruppenchef die Schuld für das Desaster in Griechenland allein den Griechen auflädt und die europäischen Institutionen komplett aus der Verantwortung nimmt. Damit sei klar, dass er die "Politik der Erpressung" beibehalten wolle.

Varoufakis

Aber auch außerhalb der Heimat von Centeno stoßen dessen Worte auf scharfe Ablehnung. Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, der den Schwenk auf den Austeritätskurs von Syriza und Alexis Tsipras nicht mitgehen wollte, spricht von einem Video "im Stil der nordkoreanischen Propagandamaschinerie".

Während in der Weltpresse das Ende der Austerität in Griechenland feiere, habe für das Land eine weitere Austeritätsperiode für 32 Jahre begonnen, twittert Varoufakis.