Europäischen Banken drohen noch höhere Milliardenverluste
Die Europäische Zentralbank erhöht die Summe der Bankverluste auf 553 Milliarden Euro, aber sieht die Lage trotzdem positiver
Die Europäische Zentralbank (EZB) macht auf schönes Wetter und Erholung. Der schwer verdauliche Widerspruch in den Aussagen der EZB im halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht Finanzstabilitätsbericht können in einem Satz zusammengefasst werden: "Trotz Erwartung höherer Verluste bessere Finanzlage." Genau das war die Überschrift von Dow Jones Newswire über ein Interview mit dem EZB-Vizepräsidenten Lucas Papademos. Denn es ist erstaunlich, wie die EZB zu der Einschätzung kommt, das Finanzsystem sei stabiler geworden, wenn sie gleichzeitig den krisenbedingten Abschreibungsbedarf auf Unwertpapiere und Kredite zwischen 2007 und 2010 auf 553 Milliarden im Euroraum anhebt.
Das sind immerhin 65 Milliarden Euro mehr als noch im letzten Finanzmarktbericht im Juni. Trotz allem meint Papademos, habe sich die Finanzstabilität in den vergangenen sechs Monaten weiter verbessert. "Obwohl also diese Schätzung höher ist, hat sich unsere Beurteilung des Ausblicks für die Finanzstabilität verbessert", sagte er im Interview. Als Begründung führte er eine angeblich bessere Finanz- und Wirtschaftslage und die Fortschritte bei der Finanzierungslage und Kapitalausstattung der Banken an.
Dass diese Verbesserungen wesentlich auf das Doping durch die Niedrigzinspolitik der EZB zurückzuführen ist, erwähnte er nicht. Denn die Banken holen sich weltweit billiges Geld von den Zentralbanken, womit die Bilanzen verbessert werden. Mit diesem Geld werden dann zum Teil wieder sehr gefährliche Spielchen gemacht und es entstehen neue Blasen, anstatt die niedrigen Zinsen an Verbraucher und Firmen weiter zu geben.
Wenn die EZB die gefährliche Flutung der Geldmärkte irgendwann zurückführt, wird es erst richtig gefährlich. Genau deshalb hält die US-Notenbank verbissen an der Nullzinspolitik fest. Der EZB-Präsident hatte allerdings letzte Woche erste Andeutungen gemacht, dass die gefährliche Geldschwemme alsbald zurückgefahren würde. Dass 224 Banken in Europa den Zwölfmonatskredit der EZB mit fast 97 Milliarden angezapft haben, spricht eben auch nicht gerade für eine real verbesserte Lage der Banken. Denn das waren fast 22 Milliarden mehr als bei der letzten Zuteilung. Erwähnt werden sollte eben auch, dass Jahrestender etwas sehr Unübliches sind und eher einen Ausnahmezustand anzeigen.
Die positivere Einschätzung, trotz der schlechteren Daten, erstaunt dann angesichts der Tatsache noch mehr, dass sogar die EZB erhebliche Gefahren am Markt für Gewerbeimmobilien ausmacht. Der Ausblick hört sich angesichts der gravierenden Probleme in Dubai oder mitten in Euroland in Griechenland und den gesamten PIGS-Staaten (Portugal, Italien, Griechenland und Spanien) sowie in Irland eher wie das berühmte Pfeifen im Walde an.
Dass die EZB die Positivpropaganda wohl selber nicht wirklich glaubt, zeigt sich bisweilen auch in ihrem Bericht, wenn sie zum Beispiel "einige Gründe" sieht, "bei der Beurteilung des Ausblicks für die Finanzstabilität vorsichtig zu sein". Und auch Papademos sieht ein, dass die "Lage ist in einer Reihe von Staaten mit sehr hohen Defiziten ziemlich ernst" sei. Einen Staatsbankrott in der Eurozone schloss er aber mit Blick auf Griechenland aus.
Erstaunlich ist auch, dass von der Gefahr einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA plötzlich nicht mehr gesprochen wird. Das war das beherrschende Thema des Finanzberichts im Juni. Die EZB schrieb: "Unter pessimistischen Annahmen könnte der große Anstieg des Haushaltsdefizits und der Staatsverschuldung dazu führen, dass die USA herabgestuft werden." Hat sich das Haushaltsdefizit der USA oder die Staatsverschuldung verbessert? Nein und deshalb erstaunt, dass hier ein weiteres schwarzes Loch im Bericht klafft. Dabei stellen die Rating-Agenturen immer deutlicher die "AAA"-Einstufung der USA in Frage. Vielleicht sollte man die EZB daran erinnern, was sie noch im Juni schrieb: "Sollte das passieren, könnte es wichtige Folgen für das globale Finanzsystem haben."