Fall Mollath: Verfassungsbeschwerde erfolgreich
Rechtsanwalt Michael Kleine-Cosack kritisiert Bayreuther Landgericht scharf – Inge Aures: Merk "hat die Freiheitsrechte eines Mitbürgers mit Füßen getreten"
Der Weg für Schadensersatzforderungen ist nun weit offen: Das Bundesverfassungsgericht hat heute mit deutlichen Worten klar gemacht, dass die Unterbringung von Gustl Mollath, der gegen seinen Willen über sieben Jahre in der Psychiatrie verbringen musste, rechtswidrig war.
Obwohl Mollath bereits am 6. August dieses Jahres aufgrund einer Entscheidung des Oberlandesgerichts in Nürnberg entlassen wurde, hat das Bundesverfassungsgericht es für notwendig gehalten, über die Verfassungsbeschwerde zu entscheiden. Mollath habe "ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse an der nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung der angegriffenen Entscheidungen, denn diese waren Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in sein Grundrecht auf Freiheit der Person", heißt es dazu in einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.
Doch das ist erst der Anfang einer Auseinandersetzung der Karlsruher Richter mit dem Fall Mollath, die es in sich hat.
Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts, warum die Verfassungsbeschwerde erfolgreich war, liest sich wie eine Ohrfeige für das Landgericht Bayreuth und das Oberlandesgericht in Bamberg: "Entscheidungen über den Entzug der persönlichen Freiheit müssen auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben. Insbesondere darf der Strafvollstreckungsrichter die Prognoseentscheidung nicht dem Sachverständigen überlassen, sondern hat diese selbst zu treffen."
Härter kann eine Kritik in der Sache wohl kaum ausfallen. Das Bundesverfassungsgericht wirft hier relativ unverblümt den beteiligten Richtern vor, eine so schwerwiegende Entscheidung wie die weitere Unterbringung eines Menschen ohne vernünftige Grundlage getroffen zu haben.
Aber die Kritik des Bundesverfassungsgerichts an den Beschlüssen aus Bayreuth und Bamberg geht noch weiter. Die Karlsruher Richter erklären die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, die bei einer längeren Unterbringung eines Menschen in der Psychiatrie angelegt werden müssen, als unvereinbar mit den Beschlüssen der beiden Gerichte.
Pikant: Das Bundesverfassungsgericht erwähnt ausdrücklich, dass es eine Abweichung in der Darstellung eines Gutachters gibt:
"Das Landgericht setzt sich insbesondere nicht damit auseinander, dass die Darlegungen des Sachverständigen zur Wahrscheinlichkeit künftiger rechtswidriger Taten im schriftlichen Gutachten vom 12. Februar 2011 und in der mündlichen Anhörung vom 9. Mai 2011 voneinander abweichen."
Der Freiburger Rechtsanwalt Michael Kleine-Cosack, der die Verfassungsbeschwerde für Mollath eingereicht hat, kritisierte das Landgericht in Bayreuth, das erst im Juni die weitere Unterbringung von Mollath angeordnet hat, scharf. Kleine-Cosack sagte, die Entscheidung der Bayreuther Richter grenze an Rechtsbeugung und fand auch deutliche Worte für die bayerische Justizministerin Beate Merk: "Die Entscheidung aus Karlsruhe ist nicht nur eine Ohrfeige für die Richter, sondern auch für Frau Merk."
Auch die Fraktionsvorsitzende der SPD in Bayern, Inge Aures, kritisiert die Ministerin:
"Die Staatsanwaltschaft hat mit Wissen der vorgesetzten Justizministerin immer wieder die Fortdauer der Unterbringung beantragt und Herrn Mollath als gefährlichen Irren abgestempelt. Damit hat Beate Merk sogar gegen die Verfassung verstoßen. Sie hat die Freiheitsrechte eines Bürgers mit Füßen getreten!"
Dass der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer Merk noch nicht gefeuert habe, sei an Lächerlichkeit kaum zu überbieten, heißt es in der Pressemitteilung weiter.
Das bayerische Justizministerium reagierte in einer eigenen Pressemitteilung gereizt:
"Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist das Ergebnis der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen auf dem Weg, den das Gesetz dafür vorsieht, und damit ein Beweis für das Funktionieren des Rechtsstaats. Es ist keine 'schallende Ohrfeige' für die bayerische Justizministerin, wie dies aus der SPD vorgebracht wird. Wenn die SPD das behauptet, hat sie den Grundsatz der Gewaltenteilung nicht verstanden."