Feinstaub-Tote: Deutlich mehr, als bisher gedacht
Neue Studie schätzt erstmals für den ganzen Planeten die Gesundheitsfolgen der Kohle- und Ölsucht ab
Über acht Millionen Menschen sind 2018 weltweit an den Folgen von Luftverschmutzung gestorben, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe verursacht wurde, heißt es in einer Presseerklärung der Harvard Universität in den USA. Das seien etwa doppelt so viele, wie bisher gedacht und rund 18 Prozent aller weltweiten Todesfälle.
In der Aprilausgabe des Fachmagazin Environmental Research veröffentlichen Autorinnen und Autoren der Harvard Universität, der Unis von Birmingham und Leicester und des University College London eine Studie, aus der eben dies hervorgeht. Untersucht wurde der besonders feine PM2,5-Anteil am Feinstaub, der maximal so groß wie ein Bakterium ist und bis in Lungenbläschen vordringen kann.
Anders als in früheren Untersuchungen wurde speziell nach dem Feinstaub aus der Verbrennung fossiler Energieträgern geschaut. Bisher wurden für entsprechende Studien Feinstaubmessdaten von Satelliten und Bodenstationen als Grundlage genommen.
Bei denen besteht allerdings das Problem, dass nicht zwischen den verschiedenen Quellen der Partikel unterschieden werden kann. Immerhin kann Feinstaub auch aus der Verbrennung von Holz, aus Waldbränden oder aufgewirbeltem Staub stammen. Auch Abrieb von Bremsen und manches andere kommt als Verursacher in Betracht.
Im Fall der vorliegenden Arbeit simulierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingegen die lokalen Feinstaubbelastungen ausgehend von Emissionsdaten von Kraftwerken, Hochöfen, Straßen, Schiffen, Flughäfen und ähnlichem.
Zusätzlich zogen sie reale Wetterdaten heran und simulierten die chemischen Prozesse mit einem Modell der Luftchemie, denn das schädliche an Kraftwerks- oder Autoabgasen ist nicht unbedingt das, was direkt ausgestoßen wird, sondern was sich in der Luft daraus entwickelt.
Mit all diesen Zutaten und Instrumenten konnten schließlich durchschnittliche lokale Feinstaubbelastungen für 50 mal 60 Kilometer große Planrechtecke ermittelt werden.
Mit ebenfalls neuerarbeiteten Abschätzungen des Gesundheitsrisikos bestimmter Feinstaubkonzentrationen in der Außenluft – bisher wurde meist von Erfahrungen mit Belastungen in geschlossenen Räumen auf die Risiken im Freien geschlossen – wurde schließlich die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch die Emissionen fossiler Kraftstoffe abgeschätzt.
Das Ergebnis: 2012 lag die Zahl der weltweit vorzeitig aufgrund der fossilen Brennstoffe Gestorbenen noch bei 10,2 Millionen Personen. 62 Prozent davon lebten in China (3,9 Millionen) oder in Indien (2,5 Millionen).
Ein Vergleich mit den Sterbestatistiken ergibt zudem, dass die Regionen mit den höchsten Konzentrationen der entsprechenden Feinstaubbelastung im Osten der USA, in Europa und in Südamerika auch die höchsten Sterberaten aufweisen.
"Unsere Studie ist ein Beitrag zu den sich häufenden Belegen dafür, dass die Luftverschmutzung aufgrund unserer anhaltenden Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nachteilig auf die Weltgesundheit auswirkt. Wir können uns nicht guten Gewissens weiter auf diese fossilen Brennstoffe verlassen, wenn wir wissen, dass sie derart schwerwiegende Gesundheitsauswirkungen haben und gleichzeitig zuverlässige und saubere Alternativen zur Verfügung stehen."
Eloise Marais, Associate Professor, University College London
Unter anderem wurden auch die Effekte der jüngsten chinesischen Bemühungen abgeschätzt, die Feinstaubemissionen zu verringern.
Nach den verwendeten Daten hatten diese sich zwischen 2012 und 2018 nahezu halbiert. Erreicht wurde das seinerzeit durch die Schließung alter Kraftwerke und Industrieanlagen sowie durch den Einbau von Filtern, Rauchgasentschwefelung und Ähnlichem.
Durch die erfolgreiche Verminderung der Feinstaubemissionen, so eines der Ergebnisse der Untersuchung, seien 2,4 Millionen Todesfälle vermieden worden, 1,5 Millionen in China und der Rest im Ausland.