Finanzprobleme, Korruption und Rücktritte in Brasilien
De-facto-Regierung von Temer bekommt die Lage nicht unter Kontrolle
Gut eineinhalb Monate vor Beginn der Olympischen Spiele inBrasilien versinkt das Land immer tiefer im finanziellen und politischen Chaos. Angesichts der massiven Haushaltsprobleme in den Bundesstaaten hat die De-facto-Regierung unter Führung des Politikers Michel Temer den Regionalregierungen nun einen sechsmonatigen Rückzahlungsstopp für Schulden bewilligt. Zugleich sollen die Ausstände der Bundesstaaten bei der Zentralregierung neu verhandelt werden. Erst im Januar 2017 müssen die Regionalregierungen demnach die Rückzahlungen wieder aufnehmen. Die Regierungen mehrerer Bundesstaaten hatten zuvor ein zweijähriges Schuldenmoratorium gefordert.
Die Liquiditätsprobleme des Landes, die vor allem aus dem Verfall der Erdölpreises herrühren, hatten zuvor auch international für Schlagzeilen gesorgt, nachdem der Bundesstaat Rio de Janeiro den finanziellen Notstand ausgerufen hatte. Vor allem in Rio sollen ab dem 5. August die Olympischen Sommerspiele ausgerichtet werden. Die Veranstalter rechnen mit rund 500.000 Gästen.
Vor wenigen Tagen nun erklärte die Landesregierung, man könne – auch angesichts der Kostenexplosion bei dem Großevent – die Löhne und Gehälter von Angestellten des öffentlichen Dienstes nicht mehr bezahlen. Vor allem im öffentlichen Nahverkehr wurde daher Chaos erwartet. Die politische Führung unter Temer gab daraufhin bekannt, Rio mit umgerechnet 753 Millionen Euro unter die Arme zu greifen.
Nicht nur die Haushalts-Lage belastet De-facto-Präsident Temer. Nach der vorübergehenden Amtsenthebung der gewählten Präsidentin Dilma Rousseff gelingt es dem Politiker vom rechten Flügel der Mitte-rechts-Partei PMDB nicht, die notwendige politische Stabilität zu schaffen.
Ende vergangener Woche trat mit dem Tourismusminister Henrique Alves der inzwischen dritte Minister aus dem Kabinett Temer wegen Korruptionsvorwürfen zurück. Alves wird vorgeworfen, im Rahmen eines massiven Korruptionsskandals um das halbstaatliche Erdölunternehmen Petrobras Bestechungsgelder angenommen zu haben, dabei geht es nach Aussagen eines Zeugen um umgerechnet 400.000 Euro. Der ehemalige Manager der Petrobras, Sérgio Machado, erhebt zudem Beschuldigungen gegen weitere rund 20 Politiker. Unter ihnen befinden sich auch der aktuelle Senatspräsident Renan Calheiros sowie die Ex-Minister Romero Jucá und Edison Lobão.
Mit dem jüngsten Rückritt und den Aussagen Machados wird nun erstmals auch Interimspräsident Temer in Verbindung mit dem Korruptionsskandal um Petrobras gebracht. Der Fall wird zunehmend skurril, weil Temer und seiner politischen Freunde die gewählte Präsidentin Rousseff entmachtet hatten, weil sie ihr Manipulationen mit Staatsfinanzen vorwarfen.
International wurd die Absetzung Rousseffs eher kritisch betrachtet. In Lateinamerika ist die De-facto-Regierung weitgehend isoliert, in Deutschland wandten sich SPD und Linke gegen die Entmachtung der linksgerichteten Präsidentin.