Freispruch für Richter Garzón wegen Franco-Ermittlungen
Internationaler Druck hat eine entscheidende Rolle gespielt, an seinem Karriereende ändert das aber nichts
Der Oberste Gerichtshof in der spanischen Hauptstadt Madrid hat den international bekanntesten spanischen Richter im zweiten Verfahren freigesprochen. Dabei ging es um die Frage, ob sich Baltasar Garzón der Rechtsbeugung schuldig gemacht hat, weil er etwas Licht in die Verbrechen der Franco-Diktatur bringen und auch ihre Massengräber öffnen wollte, in denen bis heute mehr als 100.000 Menschen verscharrt liegen. International hatte sich Garzón einen Namen mit Ermittlungen gegen lateinamerikanische Diktatoren gemacht, der 1998 den chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet in London festsetzen ließ.
Eine Rechtsbeugung wollten sechs der sieben Richter am Obersten Gerichtshof in diesem Fall nicht sehen. Sie übten aber im Urteil Kritik an der Tatsache, dass sich Garzón für sein Vorgehe eigenmächtig im Oktober 2008 für kompetent erklärte, obwohl das angezweifelt worden war. Sein Vorgehen wird nun als "Fehler" bezeichnet. "Das Delikt der Rechtsbeugung ergibt sich nicht aus der fehlerhaften Rechtsauslegung, sondern weil wissentlich ungerechte Entscheidungen gefällt werden", begründeten die Richter das Urteil. Verwiesen wird darauf, dass der Nationale Gerichtshof seinen Fehler "zu gelegener Zeit korrigiert" habe.
Das Verfahren war auf Basis von Anzeigen von zwei rechtsradikalen Organisationen eingeleitet und auch durchgezogen worden, obwohl die Staatsanwaltschaft kein Vergehen sah. "Manos Limpias" und "Libertad und Identidad" hatten gefordert, Garzón zu einer Geldstrafe und zur Höchststrafe, einem Berufsverbot von 20 Jahren, zu verurteilen. Ursprünglich hatte auch die Falange zur Klägergruppe gehört. Sie war in der Diktatur an den standrechtlichen Erschießungen und Morden beteiligt. Sie wurde aber ausgeschlossen, weil die Begründung der Anzeige nicht fristgerecht einging.
Dass Anhänger der Diktatur einen Richter auf die Anklagebank bringen konnten, weil er Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufklären wollte, hatte auch deshalb international für Empörung gesorgt, weil die Opfer noch immer auf Rehabilitierung warten oder in Massengräbern liegen. Liberale Zeitungen wie der britische Guardian oder die New York Times hatten mit Leitartikeln protestiert. Sie wiesen darauf hin, dass derlei Verbrechen weder verjähren noch amnestiert werden können. Dass er verurteilt werden würde, weil er damit gegen das Amnestie-Gesetz verstoßen hat, das sich die Franquisten im Übergang zur Demokratie gegönnt haben, war deshalb unwahrscheinlich. Spanien hätte sich damit außerhalb des internationalen Rechts gestellt, schließlich wurden derlei Gesetze auch in Argentinien und anderen Ländern aufgehoben. Intellektuelle, zu denen auch der bekannte spanische Filmemacher Pedro Almodóvar gehörte, hatten von einer "Lynchjustiz" gesprochen. Der ehemalige Anti-Korruptionsstaatsanwalt Carlos Jiménez Villarejo hatte dem zweiten Senat am Obersten Gerichtshof sogar vorgeworfen, "Ausdruck des spanischen Faschismus" zu sein.
Der Freispruch hinterlässt einen negativen Nachgeschmack nicht nur deshalb, weil das Urteil nicht einstimmig fiel. Auffällig ist auch, dass mehrere Verfahren wegen Rechtsbeugung gegen Garzón angestrengt wurden, die auch in Spanien weitgehend unbekannt sind. In dem Urteil vom Montag werden ausdrücklich das Amnestiegesetz und damit die Straflosigkeit für grausame Verbrechen wie Massenmord verteidigt. Dass Gesetz sei auch von "politischen Kräften" verabschiedet worden, die gegen den Franquismus standen, heißt es im Urteil. "Genau weil der Übergang der Wille des spanischen Volkes war und seinen Ausdruck in einem Gesetz (Amnestiegesetz) fand, kann kein Richter oder Gericht die Legitimität dieses Prozesses in Frage stellen."
Dass dieser Übergang unter der ständigen Putschdrohung der Militärs stand, die schon 1936 geputscht und das Land in einen Bürgerkrieg und 40 Jahre Diktatur stürzten, bleibt unerwähnt. Dass es keine leeren Drohungen waren, wurde fast genau vor 31 Jahren deutlich. Am 23. Februar 1981 versuchten Militärs erneut einen Staatsstreich, als sich abzeichnete, dass die oppositionellen Sozialisten (PSOE) die anstehenden Parlamentswahlen gewinnen würden.
Ein Beigeschmack bleibt auch aus deshalb, weil Garzón wegen den Franco-Ermittlungen 2010 vom Dienst suspendiert wurde. Nach dem Freispruch jetzt war das eine Fehlentscheidung, mit der eine Vorentscheidung getroffen wurde. Das Ziel, ihn aus dem Weg zu räumen, ist ohnehin erreicht. In einem anderen Verfahren wurde der umstrittene Richter kürzlich schon zu elf Jahren Berufsverbot verurteilt, weil er 2009 Gespräche der Anwälte mit ihren Mandanten in einem Schmiergeldskandal abhören ließ. Erstaunlich war dabei die Geschwindigkeit, mit der dieses Verfahren vorgezogen wurde.
Die Karriere des 56 jährigen Garzón ist beendet. Der Kontrollrat für Justizgewalt hat vergangene Woche seine Rauswurf aus dem Richteramt wegen des Berufsverbot-Urteils bestätigt, obwohl Garzón Beschwerde eingelegt hat und notfalls bis zum Menschenrechtsgerichtshof nach Straßburg ziehen will. Auffällig war aber auch, dass Mitte Februar der Oberste Gerichtshof nun das dritte Verfahren eingestellt hat. Die Vorwürfe, dass Garzón gegen Zahlung hoher Summen der Santander Bank ein Ermittlungsverfahren gegen Bankchef Emilio Botín eingestellt haben soll, wird nun nicht mehr geklärt, weil die Vorwürfe verjährt seien.