Fußballer Naki kritisiert nach Mordanschlag deutsche Polizei
Verhöre in Düren und Aachen. Fragen zu politischer Haltung und Wahlverhalten. Parallele zu rassistischen Reaktionen nach NSU-Morden
Der deutsch-türkische Fußballer Deniz Naki und sein Anwalt haben nach einem Mordanschlag am Sonntag letzter Woche Vorwürfe gegen die Polizei in Nordrhein-Westfalen erhoben. Die Beamten hätten ihn mehrere Stunden lang festgehalten und eingeschüchtert, sagte der Sportler nach dem Zwischenfall in einem Interview mit der Deutschen Welle (DW). Auch sei ihm verweigert worden, sich mit seinem Anwalt in Verbindung zu setzen. Polizei und Staatsanwaltschaft nahmen zu den Vorwürfen bislang keine Stellung.
Der 28-jährige Sohn türkisch-kurdischer Eltern war am Sonntagabend von Aachen nach Düren gefahren, woher er stammt. Auf der A4 wurde sein Auto von einem Pkw von der linken Nebenspur aus beschossen, zwei Projektile steckten in der Karosserie. Naki gilt als Kritiker der türkischen Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan und hat den Krieg der Türkei gegen die kurdische Bevölkerung mehrfach kritisiert. In der Türkei wurde er deswegen im April vergangenen Jahres wegen "Terrorpropaganda" zu einer 18-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Naki spielte bis 2014 für den FC St. Pauli und den SC Paderborn. Derzeit ist er in der Türkei beim kurdischen Drittligisten Amed Sportif Faaliyetler unter Vertrag.
Nach dem Angriff am Sonntagvgegen 23 Uhr habe er die Polizei verständigt und auf einer Wache in Düren drei Stunden lang ausgesagt. "Ich habe der Polizei mitgeteilt, dass ich in Köln in einem Hotel übernachten werde. Später bekam ich einen Anruf aus Aachen von der Mordkommission und wurde neun Stunden vernommen", sagte er gegenüber DW. Sein Handy sei von den Beamten beschlagnahmt worden, ebenso wie sein Auto.
Während sieben der neun Stunden habe die Kriminalpolizei Aachen ihn ausführlich zu seiner politischen Haltung befragt: "Zum Beispiel, welche Partei ich bei der Wahl in der Türkei gewählt habe. Oder ob eine Nähe zur PKK bestünde." Auch Mitglieder seiner Familie und Freunde seien verhört worden.
Naki hatte umgehend nach dem Zwischenfall die Vermutung geäußert, dass der türkische Auslandsgeheimdienst MIT oder türkische Nationalisten hinter dem Anschlag stehen. Er habe auch der deutschen Polizei gegenüber auf eine Warnung des türkischen Politikers der Partei HDP, Garo Paylan, verwiesen, der vor Attentatsplänen des MIT gegen Oppositionelle im europäischen Ausland gewarnt hatte. Naki gibt an, mehrfach Drohungen über die sozialen Netzwerke erhalten zu haben, was bei Kritikern der Erdogan-Führung an der Tagesordnung ist.
Die Reaktion der Polizei im Fall Naki erinnert an das Versagen nach den NSU-Morden. Nachdem die Neonazi-Bande im Jahr 2000 den Nürnberger Blumenhändler Enver Simsek mit mehreren Schüssen ermordeten, wurde seine Ehefrau Adile Simsek aus dem Krankenhaus zur Vernehmung auf eine Polizeistation abgeführt und musste dort eine wohl unerträgliche Vernehmung über sich ergehen lassen. So wollte die Polizei wissen, ob ihr sterbender Mann mit Drogen dealte, ob er eine Geliebte hatte oder erpresst wurde.
Daran erinnerte Rechtsanwältin Basay-Yildiz just in dieser Woche, um auf eine entlarvende Parallele zu verweisen: Nachdem die Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter ebenfalls von den NSU-Verbrechern erschossen wurde, sei die Polizei komplett anders verfahren: "Sie suchten die Mutter von Frau Kiesewetter mit einem örtlichen Seelsorger, einer Pastorin auf, um ihr die Todesnachricht zu übermitteln, und warteten mit der Vernehmung zehn Tage, die dann bei ihr zu Hause durchgeführt wurde." Diese latente Vorverurteilung der ausländischen Opfer habe im NSU-Fall "in sehr unterschiedlichen Bundesländern mit unterschiedlichen historischen Bedingungen und juristischen Traditionen" stattgefunden.