Gegen "Bankenregulierung" zum Schutz von Crowdfunding?
Der umstrittene EU-Finanzmarktkommissar und ehemaliger Bankenlobbyist Jonathan Hill bestätigt alle Vorurteile
Der Brite Jonathan Hill war vor seiner Wahl ausgerechnet zum EU-Finanzmarkt-Kommissar sehr umstritten, weil er kaum Abstand zu den Banken hatte. Der "Banken-Lobbyist" war mit seiner Beraterfirma als Finanzdienstleister tätig. Doch im Kuhhandel um die Posten wurde auch er von den Sozialdemokraten abgenickt, obwohl er während der Befragung auf viele Fragen schlicht nicht antwortete. Er sei "europäisch unengagiert, intransparent und ohne Distanz zur Finanzindustrie" wurde kritisiert.
Ausgerechnet dieser Mann ist also für den Sektor verantwortlich, der in der Krise mit vielen Milliarden Euro "gerettet" wurde. Es ist somit kaum noch ein Wunder, dass die Finanztransaktionssteuer, mit der Banken an den Kosten für die Bankenrettungen beteiligt werden sollten, praktisch gestorben ist und in der Argumentation von Hill auch nicht auftaucht. Ihm fällt aber die erwartete Regulierung zu, um solche Vorgänge in der Zukunft zu vermeiden. Kurz nach seinem Amtsantritt tat er schon alles, um zu bestätigen, dass die Vorbehalte gegen ihn eben nicht auf Vorurteilen beruht haben. So war sogar die konservative Tageszeitung "Die Welt" im vergangenen Dezember entsetzt, dass Hill "gleich die ganze bankenkritische Gesetzgebung der EU streichen" wolle.
An seinen Positionen hat Hill auch im vergangenen halben Jahr nichts geändert. Er verpackt sie in einem Interview jetzt nur etwas anders und spricht davon, "gegen eine exzessive Bankenregulierung" zu sein. Die bisherige (ohnehin schwache) Regulierung seines Vorgängers Michel Barnier will er "nicht in Frage stellen, doch er will eine angemessene Ausgeglichenheit garantieren". Wie die aussehen soll und was er konkret streichen will, sagte der Konservative nicht.
Dafür nutzte er die Frage, ob er für Crowdfunding sei, um seine Botschaften gegen eine Regulierung der Finanzmärkte an den Mann und an die Frau zu bringen. Eine exzessive Regulierung, "kann diese neuen Finanzierungsmodelle in Gefahr bringen". Und sofort schwenkt er auch auf Banken um, als hätte Crowdfunding etwas mit Bankenregulierung zu tun: "Die großen Unternehmen haben ausreichend Ressourcen, um eine exzessive Regulierung zu überstehen, doch die kleinen nicht." Hill meint, als ob die Bankenkonzentration im Rahmen der Bankenrettungen nicht weiter zugenommen hätte, womit sich das "Too-big-to-fail-Problem" weiter verschärfte: "Ich will keine europäische Wirtschaft, die von einer kleinen Zahl von großen Unternehmen beherrscht wird."
Spanien ist genau das Beispiel, das dieses Problem unter der Aufsicht der Troika sogar enorm zugespitzt hat. Sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) spricht längst davon, dass Großbanken nun noch "gefährlicher als früher" seien. Spanien ist, so hatte der IWF auch festgestellt, zu dem Land mit der höchsten Bankenkonzentration aufgestiegen.
Spanien soll zeigen, "wie der Weg aus der Krise aussieht"
Weil er in Spanien interviewt wurde, lobte er dieses Land als Beispiel, das anzeige, "wie der Weg aus der Krise aussieht". Entweder weiß er es nicht besser oder es ist der Weg aus der Krise, der ihm vorschwebt. Über Lohndumping, Währungskrieg und aufgrund des billigen Öls wächst zwar die Wirtschaft, trotz allem ist die Arbeitslosenquote fast 24% hoch und 3,8 Millionen Menschen erhalten keinerlei staatliche Unterstützung mehr, die durch alle Maschen gefallen sind, womit der Staat Sozialausgaben spart. Trotz allem bekommt Spanien sein viel zu hohes Defizit nicht unter Kontrolle, während die Korruption wächst und der Bausektor wieder zum Blühen gebracht werden sollen, die dem das Land nach dem Platzen der Immobilienblase den harten Absturz beschert haben.
Von den Milliarden, die hier in Banken gesteckt wurden, um sie vor dem Absturz zu retten, sind bisher gerade 2,7 Milliarden zurückgeflossen. Die Angaben, mit welchen Summen die Banken gerettet wurden, gehen weit auseinander. Knapp 62 Milliarden sollen an direkten Unterstützungen geflossen sein. Damit wären davon nur 4,3 % zurückgeflossen, obwohl versprochen worden war, dass die Rettung die Steuerzahlen keinen Euro kosten soll. Aber Quellen sprechen davon, dass man mit Bürgschaften sogar von mehr als 230 Milliarden Euro rechnen muss. In dem Fall wäre nur gut ein Prozent zurückgeflossen.
Wenn Hill von Erfolg bei der "außerordentlichen Sanierung der Finanzinstitute" fabuliert, hat das zum einen mit dem Doping durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu tun, andererseits aber auch damit, dass faule Kredite in sogenannte Bad Banks ausgelagert wurden. So musste der staatliche spanische Rettungsfonds gerade wieder 1,2 Milliarden Euro abschreiben, weil er davon ausgeht, dass sie nie wieder zurückfließen werden. Schon 2013 waren es knapp fünf Milliarden, womit allein die Verluste aus den (Un)-Werten der Banken, die beim Steuerzahler abgeladen wurden, in den vergangenen beiden Jahren mehr als doppelt so hoch ausfallen, wie die Summe, die Banken an den Rettungsfonds zurückbezahlt haben. Doch dazu kommt auch noch der Verlust der Bad Bank (Sareb), der sich im Vergleich zum Vorjahr auf fast 600 Millionen Euro mehr als verdoppelt hat, die sonst ebenfalls bei den Banken angefallen wären.