Gerichtsurteil: Für Shell wird es ernst
Niederländischer Richter verurteilt einen der größten Energiekonzerne der Welt zu einschneidenden Klimaschutzmaßnahmen
In den Niederlanden hat am Mittwoch das Bezirksgericht von Den Haag ein bahnbrechendes Urteil gefällt. Der britisch-niederländische Energiekonzern Royal Dutch Shell wurde dazu verurteilt, bis 2030 die mit seinem Geschäft verbundenen Emissionen des Treibhausgases CO2 um 45 Prozent des Niveaus von 2019 zu reduzieren. (Aktenzeichen der englischsprachigen Fassung des Urteils: C/09/571932 / HA ZA 19-379)
Geklagt hatten unter anderem verschiedene Umweltverbände wie Greenpeace und Milieudefensie, eine Schwesterorgnaisation des deutschen Bund für Umwelt und Naturschutz. Daneben beteiligten sich auch über 17.000 Bürgerinnen und Bürger an der Klage gegen einen der weltweit größten Konzerne (2019 15,8 Milliarden US-Dollar Gewinn).
"Sieg für den Planeten und unsere Kinder"
"Dies ist ein monumentaler Sieg für den Planeten und unsere Kinder, und es ist ein Schritt in eine lebenswerte Zukunft für Jedermann. Der Richter lässt keinen Zweifel: Shell verursacht gefährlichen Klimawandel und muss sein zerstörerisches Gebaren jetzt beenden“, betonte Donald Pols, Direktor von Milieudefensie, in einer Stellungnahme zu dem Urteil.
Es bezieht sich nicht nur auf die direkten und indirekten Emissionen der unmittelbaren Konzerntätigkeit sondern auch die Emissionen, die mit dem Verkauf von Erdöl, -gas und den raffinierten Produkten wie Benzin und Diesel verbunden sind. Das Gericht befand ausdrücklich, dass der Konzern auch für die Treibhausgasemissionen seiner Kunden verantwortlich ist.
Was die eigenen Emissionen des Konzerns angeht, so sind allein diese bereits recht beachtlich. Mit 80 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten – nach Konzernangaben – entsprachen sie 2019 etwa zehn Prozent der deutschen Emissionen.
Die Zahl beinhaltet auch andere Treibhausgase wie etwa Methan, die entsprechend ihrer Wirksamkeit in CO2 umgerechnet werden, daher CO2-Äquivalente. Unklar ist allerdings, ob der Konzern tatsächlich auch alle Methan-Emissionen bilanziert. Solche fallen unter anderem beim sogenannten Fracking in erheblichem Umfang an, ein Geschäftsfeld, au dem Shell vor allem in den USA sehr aktiv ist.
Shell ist vor niederländischen Gerichten ein öfter gesehener Beklagter. In den vergangenen Jahren hatte sich der Konzern wiederholt für die massiven Umweltverschmutzungen im nigerianischen Nigerdelta verantworten müssen. Ölleckagen und das Abfackeln von bei der Ölförderung anfallenden Gas vergiften dort seit Jahrzehnten Wasser und Böden, womit die Lebensgrundlage vieler Dörfer in der Region zerstört wird. Eine Klage von rund 40.000 nigerianischen Bürgerinnen und Bürgern ist noch anhängig.
In den 1990er Jahren hatte Shell bei der Unterdrückung der Proteste gegen die Ölförderung eng mit den damals herrschenden Militärdiktatoren zusammen gearbeitet. Der Fall des Umweltaktivisten und Schriftstellers Ken Saro-Wiwa, der 1995 mit acht weiteren Gefährten gehängt wurde, brachte den Konzern für einige Jahre weit über die Landesgrenzen in Verruf.
Shell bestreitet bis zum heutigen Tag, mit der Hinrichtung etwas zu tun gehabt zu haben, zahlte allerdings 2009 den Hinterbliebenen 15,5 Millionen US-Dollar Entschädigung. Mehr über den Fall und Ken Saro-Wiwas Werk hier in einem längeren Interview mit zweien seiner Biografen.