Gravierende Risiken im europäischen Bankensystem
Die Zentralbank der Zentralbanken in Basel warnt vor wachsenden Risiken und einer lockeren Geldpolitik, die insolvente Schuldner und Zombie-Banken am Leben erhalte
Dass die EU-Kommission gerade jetzt angesichts eines Bank-Run das bulgarische Finanzsystem mit 1,7 Milliarden Euro retten muss, ist ein Zufall. Ob dahinter Kriminelle stehen, wird noch zu klären sein, doch die Panik weist auf bestehende Unsicherheiten hin.
Auf wachsenden Risiken hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) gerade deutlich verwiesen. Denn die "Zentralbank der Zentralbanken" hat gravierende Risiken im Bankensystem benannt, "die vor allem in Europa fortbestehen". Die zeigte BIZ-Generaldirektor Jaime Caruana am Sonntag bei der Vorstellung des BIZ-Jahresberichts in Basel auf.
So verweist die BIZ, in der die Zentralbanken der Welt zusammengeschlossen sind, darauf, dass die Zahl fauler Kredite in großen Euroländern wie Italien und Spanien ansteigt, während sie in den USA wieder deutlich gesunken sei. In Italien gilt fast schon jeder sechste Kredit als ausfallgefährdet. In Spanien ist die Quote auf 13,4% angeschwollen, obwohl schon viele faule Kredite in die staatliche Bad Bank ausgelagert wurden.
"Die Reparatur der Banken-Bilanzen gehört zu den wichtigsten Aufgaben in der Euro-Zone", schreibt die BIZ im Jahresbericht. Hier kritisiert sie die lockere Geldpolitik der Notenbanken, denn auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat derweil die Leitzinsen praktisch auf Null gesenkt. () Und diese niedrigen Zinsen und die Geldschwemme würden insgesamt die Anstrengungen zur Bereinigung der Bilanzen konterkarieren.
Längst insolvente Schuldner der Banken würden über die extrem niedrigen Zinsen künstlich am Leben gehalten. Die Banken könnten ihrerseits über die Ausweitung von Kreditmargen wiederum Verluste in Teilbereichen übertünchen, heißt es in der Studie. Die Bilanzsanierung wird als "erhebliche Herausforderung" benannt. Das derzeitige Zinsniveau begünstige Stundungen, womit "faktisch insolvente Schuldner über Wasser gehalten werden", womit Banken wiederum Verlustabschreibungen hinausschieben könnten.
Und das habe bedeutsame Auswirkungen und behindere insgesamt die wirtschaftliche Entwicklung. "Nicht ausgewiesene Verluste verzerren die Anreize von Banken, indem Ressourcen dazu eingesetzt werden, notleidende Schuldner über Wasser zu halten, anstatt zur Finanzierung neuer Projekte." Und im Fall einer neuen Stresssituation wird "die Kapazität des Eigenkapitals, künftige Verluste zu absorbieren erheblich durch nicht ausgewiesene Verluste aus Altlasten beeinträchtigt", beschreibt die BIZ.
"Blinder Optimismus ist gefährlich."
Zudem verleite das geringe Zinsniveau zu großen Risiken. Hyun Song Shin, der neue BIZ-Chefvolkswirt, warnte davor, dass deshalb neue Turbulenzen von eher konservativeren Großinvestoren wie Pensionsfonds oder Vermögensverwalter ausgelöst werden könnten. Die weltweit niedrigen Zinsen verleiteten sie zu immer höheren Risiken, weil sie teils garantierte Erträge erwirtschaften müssten. Damit benennt er die auffälligen Blasenbildungen: "Aktuell sieht alles zwar sehr gut aus, aber es baut sich möglicherweise ein schmerzhafter und sehr zerstörerischer Umschwung auf." Er spricht von einer "potentiellen Gefahrenquelle" und dazu begebe man sich auf "unbekanntes Territorium".
Dazu kommt, dass die Gesamtverschuldung von Verbrauchern, Unternehmen und Banken weiter wächst. Sie liege in den entwickelten Volkswirtschaften mittlerweile schon bei 275% und in aufstrebenden Volkswirtschaften bei 175%. Die wachsenden Schulden hätten "mehrere Schwachstellen" geschaffen, merkt der BIZ-Generaldirektor an. "Je stärker die Verschuldung steigt, desto anfälliger wird die Tilgungsfähigkeit der Schuldner gegenüber einem Einkommensrückgang oder einem Zinsanstieg."
Damit beschreibt Caruana den gefährlichen Teufelskreis, dass Banken, Verbraucher, Unternehmen und Staaten wie Junkies an der Nadel der Notenbanken hängen und einen Zinsanstieg immer weniger verkraften würden. Höhere Schulden führten "zu einer labileren Finanzlage und zu Finanzzyklen, die zunehmend destabilisierend wirken können", beschreibt er diplomatisch, dass die Lage gefährlicher wird. Würden "extrem niedrige Zinsen" zu lange beibehalten werden, werde das "zu einer höchst unerwünschten Art von Gleichgewicht führen – einem Gleichgewicht von hoher Verschuldung, niedrigen Zinsen und sehr schwachem Wachstum".
Die BIZ hält die lockere Geldpolitik seit langem für wenig zielführend, wie sie seit zwei Jahren zum Teil drastisch deutlich macht. Nun gibt sich Caruana diplomatischer und erklärt: "Die lockere Geldpolitik stößt an ihre Grenzen." Doch er sieht die Finanzstabilität gefährdet, "da extrem niedrige Zinssätze die Anhäufung von Schulden und das Eingehen von Risiken begünstigen". Er vermutet angesichts boomender Börsen und fallender Risikoaufschläge bei Staatsanleihen für Krisenländer, dass sich die Märkte stärker in Sicherheit wiegen, als es den Zentralbanken recht sei. "Solch blinder Optimismus ist gefährlich." Das erhöhe aber den Druck auf die Zentralbanken, "die Normalisierung der Geldpolitik auf die lange Bank zu schieben". Er plädiert deshalb für einen schnellen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik, um "wachsenden Risiken für die Stabilität des Finanzsystems" zu begegnen.