Griechenland steht Umschuldung bevor
Weil das Haushaltsdefizit deutlich über 10% liegen soll, wird Griechenland aufgegeben
Was für Portugal gilt, gilt für Griechenland ganz besonders. Schließlich wurde dem Land schon früher ein straffer Sparkurs aufgezwungen, wodurch es in die Rezession zurückfiel. Schrumpfte Portugals Wirtschaft im 4. Quartal 2010 erstmals wieder um 0,3%, hat Griechenland in allen Quartalen 2010 ein Minus verzeichnet, zuletzt -1,4%. Da auch die Arbeitslosigkeit rezessionsbedingt gestiegen ist, muss man sich nicht wundern, wenn angesichts von sinkenden Steuereinnahmen und steigenden Sozialkosten das Haushaltsdefizit kaum verringert werden konnte. Daran änderte in Griechenland auch nichts, wenn das Land vom EU-Rettungsschirm günstigere Zinsen als auf dem Kapitalmarkt erhält.
Glaubhaft berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, das griechische Staatsdefizit sei im vergangenen Jahr deutlich höher ausgefallen, als bislang angenommen. "Es wird klar über zehn Prozent liegen", zitiert Reuters Quellen aus der EU-Kommission, dem Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Europäische Zentralbank (EZB). Eine Delegation dieser Organisationen hält sich derzeit in dem Land auf. Eigentlich wollten die Hellenen das Defizit auf 8% senken. Angesichts der Tatsache, dass es für 2009 ständig nach oben korrigiert werden musste, und zuletzt bei 15,4% lag war das illusorisch. Niemand der sich ein wenig mit der Lage befasst, hat ernsthaft daran geglaubt.
Hätte das Land unter der Knute des IWF, den einst Bundeskanzlerin Merkel ganz dringend in die Rettung einbinden musste, überhaupt signifikant das Defizit gesenkt, wäre das schon ein Erfolg. Der IWF schreibt Griechenland offensichtlich schon ab. Weil die Rettungsbemühungen unter seiner Anleitung erwartungsgemäß - wie in Rumänien - nicht aus der Krise herausführen, soll der IWF nun auf die baldige Umschuldung drängen. Das berichtete kürzlich der Spiegel.
Die Financial Times Deutschland (FTD) kehrtwende-in-euro-krise-eu-verliert-glauben-an-griechenland/60035409.html: schrieb, dass sich auch in einigen Euro-Ländern eine drastische Kehrtwende im Umgang mit Griechenlands Staatsschulden anbahne. Vertreter mehrerer Regierungen hätten bestätigt, dass eine Umstrukturierung der Schulden nicht länger ausgeschlossen wird. Grund sind wachsende Zweifel daran, dass Griechenland wie bislang erhofft im Laufe des Jahres 2012 an den Anleihemarkt zurückkehren und sich so teils selbst finanzieren kann.
Wer angesichts der Schulden des Landes in den Regierungssitzen Europas jemals daran geglaubt hat, ist schlicht eine Fehlbesetzung. In vielen Fällen dürfte es aber nur darum gehen, nun die Bevölkerung langsam auf einen neuen Kurs vorzubereiten. Dass man in Griechenland, Irland und Portugal zu lange mit der Hilfe gewartet hat, die Kosten damit enorm in die Höhe trieb, rächt sich erneut. Die geringeren Zinsen des Rettungsfonds verhindern zudem eine Konsolidierung. So konnte die Lage in Griechenland nur ein Jahr lang scheinbar stabilisiert werden. Der Brand schwelte aber weiter. Nach Irland trifft es nun auch Portugal. Man sollte sich nicht wundern, wenn er sich bald über Spanien, Belgien und Italien zu einem Flächenbrand ausweitet.
Auch wenn Griechenland sogar 0,6 Prozentpunkte weniger Zinsen als Irland bezahlt, braucht man nur den Rechner in die Hand zu nehmen. Dann stellt man fest, dass sich angesichts eines Schuldenbergs von etwa 330 Milliarden Euro bei 5,2% Zinsen die Zinslast im Jahr auf etwa 17 Milliarden beläuft. Das sind mehr als 7% des gesamten Bruttoinlandsprodukts (BIP) von zuletzt 235 Milliarden Euro. Für Spanien mit etwa 600 Milliarden Schulden oder Italien mit etwa 2 Billionen, möchte man schon gar nicht mehr nachrechnen, was ein deutlicher Zinsanstieg bedeutet. Andere haben das aber schon getan, weshalb ständig über die Ausweitung des Rettungsschirms debattiert wird.
Dass eine Konsolidierung Griechenlands unter diesen Bedingungen nicht funktionieren konnte, war klar. Denn die Abwertung der Währung war nicht möglich, um die Produkte wettbewerbsfähiger zu machen, und das Land kann als Euroland auch nicht die Schulden über Inflation teilweise beseitigen. Deshalb muss nun in der EU über eine Verringerung der Schuldenlast durch eine Umschuldung nachgedacht werden. Privaten Anlegern, Versicherungen und Banken hatte man eine Schonfrist gewährt, um sich aus Staatsanleihen des Landes zurückzuziehen. Die wurden derweil zum Teil dem EU-Rettungsschirm und auch der EZB aufgehalst, die seit einem Jahr Staatsanleihen aufkauft. Ein Tabubruch.
Letztlich werden bei dem sich abzeichnenden "Haircut", also einem Teilverzicht auf Forderungen, wieder die europäischen Steuerzahler zur Kasse gebeten. Hätte man die Umschuldung schon vor eineinhalb Jahren vorgenommen, dann hätte das anders ausgesehen. Dann hätte man effektiv auch die an den zu erwartenden Kosten beteiligt, die lange auch gut an griechischen Anleihen profitiert haben. Einige, die darauf spekuliert hatten, dass es nicht zu einer Umschuldung kommt, und besonders hohe Zinsen kassiert haben, sind natürlich sauer. Die FTD zitiert den Versicherer Generali Deutschland: "Ein Haircut auf einzelne Länder wäre in der derzeitigen Situation das falsche Signal."
Auch wenn sowohl die EU-Kommission und der IWF die geplante Umschuldung dementieren, so braucht man darauf nichts zu geben. Sie hatten auch vor einem Jahr stets dementiert, dass ein Rettungsnetz gestrickt wird. Wenn sie vor dem Absturz Portugals noch nichts geplant haben, fangen sie spätestens jetzt damit an. Denn es war der IWF, der erst kürzlich auf die wachsende Instabilität und der Ansteckung über die angesprochenen "Spill-over-Effekte" aufgezeigt hat. Wie sich einst der Absturz Griechenlands auf Portugal auswirkte, hat Portugals Absturz nun auch wieder Rückwirkungen auf Griechenland.
Dazu kommt, dass angesichts der Inflation im Euroraum die EZB heute erstmals wieder den Leitzins angehoben hat. Der erste Zinsschritt um 25 Basispunkte auf 1,25% dürfte nur der Anfang sein. Dass die EZB mit diesem Schrittchen ihrer Aufgabe gerecht wird, für Geldwertstabilität zu sorgen, darf bezweifelt werden. Im Euroraum, so wird geschätzt, ist die Inflation im März auf 2,6% gestigen. Sie liegt also nun deutlich über dem EZB-Ziel von knapp unter 2%. Schon im Februar lag sie bei 2,4% und in den Krisenländern (mit Ausnahme Irland) sogar deutlich über dem Durchschnitt: Griechenland 4,2%, Portugal 3,5% und Spanien 3,4%.
Auf die Krisenländer werden sich Leitzinserhöhungen aber weiter krisenverschärfend auswirken. Bei variablen Immobilienzinsen, wie in Spanien üblich, werden weitere Kredite faul, weil die Kreditnehmer die steigende Zinslast nicht bezahlen können, womit das Bankensystem immer anfälliger wird. Den Familien wird schon über die hohe Inflation weiter Kaufkraft abgezogen, wenn dies nicht durch Lohnkürzungen - oder besonders drastisch durch Arbeitslosigkeit – schon geschehen ist. Das darunter der Konsum und leidet und kaum ein Wachstum zu erwarten ist, ist auch logisch. Dazu kommt, dass sich Kredite insgesamt verteuern, was ebenfalls dämpfend wirkt.