Haftanträge gegen führende Vertreter der De-facto-Regierung in Brasilien
Vertraute von Interimspräsident Michel Temer sollen wegen Behinderung der Justiz hinter Gitter. Deutsche Bundesregierung weiter zurückhaltend
In Brasilien wird die Luft zunehmend dünner für die De-facto-Regierung unter dem rechtsgerichteten Michael Temer. Nachdem der Interimspräsident bereits mehrere Minister verloren hat, beantragte der Generalstaatsanwalt des südamerikanischen Landes, Rodrigo Janot, nun die Festnahme mehrerer führender Politiker der regierenden "Partei der demokratischen brasilianischen Bewegung" (PMDB). Sie sollen die Justiz behindert haben.
Janot übersandte an den Bundesgerichtshof die Anträge zur Festnahme des amtierenden Senatspräsidenten Renan Calheiros, des Senators und Ex-Ministers von Temer, Romero Jucá, des Ex-Senators und Ex-Präsidenten José Sarney sowie den ehemaligen Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha. Alle genannten Politiker gehören der PMDB an.
Temer war Mitte Mai über ein Amtsenthebungsverfahren gegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff an die Macht gekommen, nachdem die Mehrheit der Mitglieder von Abgeordnetenhaus und Senat für das Verfahren votierten. Rousseff ist damit für maximal 180 Tage des Amtes enthoben, wobei die Frist inzwischen verkürzt wurde. Inzwischen sind allerdings mehrere Tonbänder aufgetaucht, die belegen, dass die Rousseff-Gegner vor allem zum Ziel hatten, Korruptionsermittlungen zu stoppen (Abhörskandal belegt Putsch in Brasilien). Rousseff und Anhänger der gewählten Regierung sprechen von einem Putsch.
Die Haftanträge von Generalstaatsanwalt Janot werden nun vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Teori Zavascki, geprüft. Janot wirft den Politikern vor, versucht zu haben, die Ermittlungen der Justiz im Fall eines massiven Skandals um Korruption beim halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobras zu verhindern. Jucá war wegen Tonbandaufnahmen, die diese Hintergründe belegen, bereits zurückgetreten. Cunha soll wegen Missachtung der Justiz in Haft: Zavascki hatte im Mai wegen Korruptionsdelikten seine Absetzung als Senatspräsident verfügt. Der konservative Politiker nutzte seinen Einfluss aber weiter, um den Senat zu beeinflussen und sich selbst vor der Justiz zu schützen.
Seit Beginn dieser Woche wird vom Obersten Gerichtshof auch wegen des Vorwurfs der Korruption ein Ermittlungsantrag gegen den Politiker Aécio Neves geprüft, der bei den vergangenen Wahlen gegenüber Rousseff unterlegen war.
Die deutsche Bundesregierung hält indes weiter an ihrer passiven Haltung gegenüber der Beseitigung der gewählten Regierung in Brasilien fest. In der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion hieß es aus dem Auswärtigen Amt, die Bundesregierung vertraue darauf, "dass die demokratischen Institutionen Brasiliens einen verfassungskonformen Abschluss" des laufenden Verfahrens gegen Rousseff garantieren. Die aktuelle Lage betrachte man mit Sorge.
Immerhin klang das schon etwas zurückhaltender als vor drei Wochen. Gegenüber dem Journalisten Tilo Jung hatte Außenamtssprecher Martin Schäfer noch erklärt: "Das, was da geschehen ist, ist nach den Regeln der Verfassung erfolgt."