Hilfe für spanische Konservative aus Brüssel
EU-Kommission setzt trotz der Verstöße Spaniens gegen die Defizitziele nicht einmal symbolisch die EU-Gelder aus, um keine "antieuropäischen Gefühle" zu wecken
Wenn es um die Politik spanischer Konservativer geht, dann zählen für die EU-Kommission keine EU-Verträge und Abkommen. Obwohl die Kommission festgestellt hatte, dass Spanien "keine effektiven Maßnahmen" zur Einhaltung der Defizitziele ergriffen hat, verzichtete man angesichts von Neuwahlen schon auf Druck aus Berlin auf Strafzahlungen.
Um die Wahlchancen der Rechten im Juni nicht zu schmälern, wurde schon die Entscheidung über Sanktionen auf den Herbst verschoben. Und nun hat die Kommission beschlossen, keine Gelder aus Struktur- und Investitionsfonds auszusetzen. "Es wäre sehr formalistisch gewesen, Sanktionen vorzuschlagen", sagte der französische EU-Währungskommissar Pierre Moscovici.
Dabei bezog er sich auf Wirtschaftskommissar Jyrki Katainen. Der hatte mit Blick auf die Verträge den Europaparlamentariern kürzlich erklärt, es sei "Pflicht", Gelder teilweise auszusetzen. Spanien verstößt seit Jahren massiv gegen Defizitziele. Dafür wurden die regierenden Konservativen aber in Brüssel belohnt. Weil sie brav die geforderte Austeritätspolitik durchziehen, wurde die Einhaltung des Stabilitätsziels von 3% immer wieder verschoben. Spanien bekam dafür nun Zeit bis 2018.
So macht die EU-Kommission nun "keinen Vorschlag" zur Aussetzung von Geldern. Sogar das "Defizitverfahren wird ausgesetzt", nachdem vorgestellte Maßnahmen evaluiert wurden, mit denen das zu hohe Defizit gesenkt werden soll, wurde erklärt. Der Sozialdemokrat Moscovici meinte, Spanien habe "beträchtliche Anstrengungen unternommen", man wolle keine "anti-europäischen Gefühle" und eine "Wahrnehmung der Erniedrigung in einem Land wie Spanien schaffe".
Obwohl das Gefühl und die Wahrnehmung in Portugal angesichts der Ungleichbehandlung schon deutlich sichtbarer sind, sagte er dazu nichts. Dabei gilt die Aussetzung auch für Portugal. Die Linksregierung profitiert erneut davon, dass man Spanien mit Samthandschuhen anfasst und deshalb Portugal nicht abstrafen kann, dass ohnehin deutlich besser als Spanien dasteht.
Eigentlich gilt Moscovicis Argumentation real nur für Portugal. Denn das ärmste Euroland hätte das Stabilitätsziel schon 2015 praktisch wieder eingehalten. Portugal dürfte 2016 auch das Stabilitätsziel wieder einhalten und eine weitere Absenkung ist glaubwürdig im Haushalt 2017 geplant.
Ob Spanien 2017 auf 3,1% kommt, steht in den Sternen. Der konservative Regierungschef Mariano Rajoy konnte bisher keinen Haushalt verabschieden. Ob seine Minderheitsregierung jetzt ein Budget durchbringt, ist unklar. Sogar der rechte Quasi-Koalitionspartner Ciudadanos (Bürger) will einige Ausgaben erhöhen. Und die gespaltenen Sozialisten (PSOE), wegen deren Enthaltung Rajoy erneut regieren kann, wollen keinen Sparhaushalt abnicken, wie ihn Brüssel mit einer neuen Einsparung von 5,5 Milliarden Euro fordert. Die Partei duldet Rajoy nur, weil sie einen dritten Wahlgang an Weihnachten und einen neuen Absturz verhindern wollte.
Letztlich ist Spanien das Musterbeispiel dafür, dass angesichts einer massiven Korruption auf dem Austeritätskurs das Defizit nicht einmal wirksam abgebaut werden kann, wenn sogar ein starkes Wachstum vorliegt. Spanien ist in den letzten Quartalen deutlich stärker gewachsen als der Durchschnitt. Allerdings basiert dieses Wachstum auch auf Wahlgeschenken in zwei Wahlkämpfen, Investitionen in Infrastruktur, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Aber vor allem wurden, auch in der Tourismusindustrie, prekäre Jobs geschaffen, die mit den gesunkenen Löhnen eben die Einnahmen der Steuer- und Sozialkassen nicht erhöhen.
Zum Teil sind Steuereinnahmen wegen Wahlgeschenken sogar massiv eingebrochen. Dass das Defizit weiter so hoch ist, dafür sind rückläufige Steuereinnahmen verantwortlich, dabei hatte Madrid im letzten der EU-Kommission vorgelegten Haushalt einen Anstieg von 6% versprochen. Real sind sie aber um 2,8% gesunken. Denn angesichts der Wahlkämpfe wurden Einkommensteuern für Arbeitnehmer etwas gesenkt, um die Körperschaftssteuer für Konzerne sogar um weitere fünf Prozentpunkte senken zu können.