Sich von der "Unterwerfung unter den Euro befreien"

Die portugiesischen Kommunisten fordern nach dem Brexit einen Ausstieg aus dem Euro

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Seit Jahren wird im kleinen Portugal über einen Ausstieg aus dem Euro debattiert. "Warum wir aus dem Euro aussteigen sollten", war schon 2013 das meist verkaufte Buch. Darin werden die zentralen Gründe angeführt, warum es für ein Land wie Portugal sinnvoll wäre, eine eigene Währung zu haben, die es auch abwerten kann. Denn ein für Portugal viel zu starker Euro lässt nur eine innere Abwertung (also Lohndumping) zu, um statt über eine Währungsabwertung auf den Weltmärkten konkurrenzfähiger zu werden. Und der Brexit heizt nun die Debatte wieder deutlich an.

Der Kommunistenchef Jerónimo de Sousa hat nach dem EU-Ausstieg der Briten gefordert, Portugal müsse sich "von der Unterwerfung unter den Euro befreien". Die PCP feiert den Brexit als eine "souveräne Entscheidung", einen "Sieg über die Angstkampagne" und eine "Ablehnung" der Brüsseler Austeritätspolitik. Denn der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hätten praktisch eine "Katastrophe" für den Brexit-Fall angekündigt.

Das hatte allerdings weder Hand noch Fuß, wie auch auf Telepolis aufgezeigt wurde. Wie sich die Finanzmärkte nach einer anfänglichen Panik am Freitag (in London ohnehin nicht) nun verhalten, macht sehr deutlich, dass man auch dort auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt ist. Das Katastrophengeschrei des IWF wurde abgehakt. Am Freitag und teilweise Montag war man mit dem Verhalten an den Börsen zunächst den Gurus wie die Lemminge gefolgt.

Damit auch die vielen Briten, die in Portugal leben oder dort in großer Zahl Urlaub machen, die Argumentation verstehen, hat die PCP eine entsprechende Erklärung auch in englischer Sprache veröffentlicht. Dort werden auch "Kommunisten und andere linke Kräfte" gewürdigt, die "falsche Dichotomien abgelehnt" und sich gegen "reaktionäre und fremdenfeindliche" Positionen gestellt und demokratische Werte und soziale Rechte, Fortschritt, Toleranz und die Zusammenarbeit verteidigt hätten. Die PCP nennt alle die "verantwortungslos", die in der souveränen Ausübung demokratischer Rechte in einem Referendum ein Problem sähen. Im Gegenteil dazu zeige vielmehr die Brexit-Entscheidung die massiven Probleme auf, die die EU habe. Was den geforderten Euro-Austritt angeht, ist Jerónimo de Sousa dagegen, ihn per Referendum zu beschließen. Das könne auch das Parlament entscheiden. Die Kommunisten und der marxistische Linksblock (BE) stützen die sozialistische Regierung.

De Sousa verwies darauf, dass einst auch der Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) so beschlossen wurde. Portugal müsse sich jetzt auf einen Euro-Ausstieg vorbereiten oder darauf vorbereitet sein. Das dürfe kein "plötzlicher Akt", sondern müsse ein "Prozess" sein. Die PCP meint, der Euro hätte dem Land viel Leid gebracht, statt Rechte, Beschäftigung, Produktion, Entwicklung und Souveränität zu garantieren. Das große Problem dieser EU seien ihre Ziele und ihre Unterstützung für das "transnationale Kapital". Weil der PCP-Chef diese EU für "nicht reformierbar" hält, hat er auch keine Angst davor, aus der EU geworfen zu werden, wenn das Land den Euro abschafft.

Der Linksblock sieht das etwas anders, aber auch in der BE verschieben sich die Positionen seit dem Brexit. Die BE-Chefin Catarina Martins drohte zum Ende des Parteikongresses am Wochenende mit einem Referendum, falls die EU gegen das Land wegen dem Verstoß gegen das Defizitziel 2015 eine Strafe verhängt. Das sei eine "Kriegserklärung an Portugal", sagte sie. Sie erinnerte daran, dass bis November vergangenen Jahres eine konservative Regierung regierte, die für den Verstoß verantwortlich sei und den Segen der Troika hatte, zu der auch die EU-Kommission und der IWF gehören. Portugal könne die Sanktionen nur über ein Referendum ablehnen, um die "Erpressung" abzulehnen.

Die EU könnte am 5. Juli Strafzahlungen von 0,2% Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gegen das Land beschließen, womit Portugal 340 Millionen Euro bezahlen müsste. Viel schlimmer wäre für das Land aber, dass auch Zahlungen aus dem EU‑Strukturfonds für 2017 gesperrt werden können. Dass erstmals solche Sanktionen verhängt werden könnten, sei "inakzeptabel und provozierend" sagte die BE-Chefin. Über was genau sie abstimmen lassen will, ob über einen Ausstieg aus der EU, aus dem Euro oder über was auch immer, sagte sie nicht.

Vermutlich glaubt sie auch nicht, dass nun real in Brüssel Sanktionen verhängt werden. Denn die Entscheidung darüber wurde ja ausdrücklich mit Blick auf die Wahlen in Spanien am vergangenen Sonntag vertagt. Dem Land droht sogar eine Strafzahlung von mehr als zwei Milliarden Euro. Doch da die Spanier aus Sicht der Kommission nun "richtig" gewählt haben und sich die Chancen für eine konservative Regierung erhöht hat, wird man in Brüssel vermutlich wieder beide Augen zudrücken, um Sanktionen gegen die konservativen Freunde zu vermeiden.
Davon dürfte dann wohl auch Portugal profitieren. Man kann kaum Strafen gegen das kleine Land mit knappen Verstößen gegen Defizitziele verhängen und sie dem großen Sünder Spanien ersparen.