Ärzteorganisation fordert Reform der UN und atomwaffenfreie Welt

"Atom-Dom" im japanischen Hiroshima. Bild: Pascal Vosicki, Shutterstock.com

Mediziner sehen doppelte Bedrohung durch Atomkrieg und Klimakrise. Appell zu Reduzierung der Militärausgaben. Dazu sei vor allem ein Vertrag wichtig.

Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) fordern eine umfassende Reform der Vereinten Nationen (UN) und eine stärkere Repräsentation atomwaffenfreier Staaten im UN-Sicherheitsrat. Dies geht aus einer Erklärung der Organisation hervor, die auf der Civil Society Conference der UN im Mai 2024 in Nairobi präsentiert wurde.

Doppelte Bedrohung durch Atomkrieg und Klimakrise

Die IPPNW betont, dass die Menschheit durch die Gefahr eines Atomkrieges und die fortschreitende Klimakrise doppelt bedroht ist. Atomwaffen seien die verheerendsten Instrumente des Massenmords und der Umweltzerstörung, die je geschaffen wurden. Ein Atomkrieg, bei dem nur ein Bruchteil der vorhandenen Arsenale eingesetzt würde, stelle eine existenzielle Bedrohung für das Überleben der Menschheit dar.

Die Organisation weist darauf hin, dass militärische Aktivitäten schätzungsweise 5,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen ausmachen. Die weltweiten Militärausgaben von 2,44 Billionen US-Dollar ziehen Ressourcen ab, die für die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse und die Förderung der notwendigen globalen Klimaschutzmaßnahmen benötigt werden.

Forderung nach Reduzierung der Militärausgaben

Die IPPNW fordert, dass die weltweiten Militärausgaben reduziert und stattdessen in die Ziele der nachhaltigen Entwicklung sowie in den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel reinvestiert werden müssen.

Die Organisation beklagt, dass der militärisch-industrielle Sektor einen erheblichen Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen hat, jedoch keine detaillierten Pläne vorlegt, wie bis 2050 Kohlenstoffneutralität erreicht werden soll.

Aufruf zur Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags

Die IPPNW ruft die UN-Staaten dazu auf, dem Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) beizutreten. Der AVV zielt auf die Abschaffung von Atomwaffen ab und bildet laut IPPNW die neue ethische Norm für eine Zukunft der Menschheit ohne nukleare Gewalt.

Die Organisation weist darauf hin, dass allein für die Wartung und Produktion von Atomwaffen jährlich mehr als 82,9 Milliarden Dollar ausgegeben werden, die stattdessen für Investitionen in erneuerbare Energien und Klimaschutzmaßnahmen verwendet werden könnten.

Gefahren der Atomenergie

Die IPPNW betont, dass Atomkraftwerke unweigerlich Materialien erzeugen, die zum Bau von Kernwaffen verwendet werden können und daher ein Proliferationsrisiko darstellen.

Jeder Atomreaktor und jedes Becken mit abgebrannten Brennelementen stelle praktisch eine riesige, vorbereitete radiologische Waffe oder "schmutzige Bombe" dar, die anfällig ist für Unfälle und Angriffe.

Notwendigkeit einer UN-Reform

Die IPPNW sieht in dem Atomwaffenverbotsvertrag ein Vorbild für notwendige Veränderungen in der Struktur des UN-Sicherheitsrates. Die Organisation fordert, atomwaffenfreien Staaten des Globalen Südens eine starke Vertretung im Sicherheitsrat zu geben.

"Der Prozess, wie der Vertrag in Kraft getreten ist, könnte als Modell dienen, notwendige Reformprozesse der Vereinten Nationen auf den Weg zu bringen und das Dogma des Nuklearismus, das die Welt bisher beherrscht hat, zu überwinden", so Dr. Angelika Claußen, Co-Vorsitzende der deutschen IPPNW und IPPNW Präsidentin Europa.

"Die Erneuerung des globalen Friedens- und Sicherheitsrahmen ist dringend notwendig, damit die Vereinten Nationen gestärkt werden. Die Lösung des Klimawandels und die Abschaffung aller Atomwaffen stehen an erster Stelle der UN-Agenda", so Generalsekretär António Guterres in Nairobi.

"Im Zusammenwirken mit der internationalen Zivilgesellschaft können wir als IPPNW mit dazu beitragen, dass die notwendige Reform der Vereinten Nationen gelingen kann", so Rolf Bader, Delegierter der deutschen IPPNW auf der UN-Konferenz in Nairobi. Die IPPNW plant, ihre Forderungen in die Beratungen zum Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen im September 2024 in New York einzubringen.

Die IPPNW wurde 1984 mit dem Unesco-Friedenspreis und 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Sie ist in über 60 Ländern auf allen fünf Kontinenten vertreten. Ihr gehören weltweit rund 120 000 Ärztinnen und Ärzte an.