Geschichte zeigt: Atomwaffen sind keine Sicherheitsgarantie
Nukleare Abschreckung bedroht die Menschheit und Umwelt. Verzicht auf Atomwaffen nötig. Ein Appell zum Hiroshima-Gedenktag am 6. August.
In Deutschland finden am 6. und 9. August in vielen Städten und Gemeinden in Gedenken an die Opfer der beiden Atombombenabwürfe der USA im August 1945 auf Hiroshima und Nagasaki zahlreiche Veranstaltungen der Friedensbewegung statt, daran beteiligen sich bundesweit auch viele IPPNW-Regionalgruppen.
Die beiden Atombomben forderten unmittelbar weit über einhunderttausend Todesopfer. Die Bomben zerstörten beide Städte bis auf die Grundmauern.
Die nach 1945 durchgeführten über 2.000 Atomwaffentests haben lebensbedrohliche und langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und massive Umweltschäden zur Folge. Allein die von den USA auf den Bikini Atollen gezündete Wasserstoffbombe hatte eine Sprengkraft von 15 Megatonnen: 1.000-mal stärker als die Hiroshimabombe!
Strahlenbedingte Erkrankungen, Fehlbildungen und radioaktive Verseuchung zählen zu den gravierendsten Folgen. Viele der Überlebenden trugen und tragen die körperlichen Behinderungen und psychischen Folgen ihr ganzes Leben mit sich.
Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf niemals geführt werden.
Das Zitat stammt nicht aus der Friedensbewegung, sondern aus einer gemeinsamen Erklärung der Atomwaffenstaaten USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich vom Januar 2022.
Deshalb gilt es im Besonderen, am 6. und 9. August die Atommächte an ihre im Atomwaffensperrvertrag eingegangen Verpflichtungen zu erinnern und sie eindringlich anzumahnen, diese einzulösen. Im Atomwaffensperrvertrag wurde vertraglich bindend unterzeichnet, Atomwaffen abzurüsten!
Nukleare Abschreckung hat zur Voraussetzung, dass die eigene Seite bereit ist, Atomwaffen einzusetzen und Millionen unschuldiger Menschen zu töten. Sie muss die Folgen eines nuklearen Vergeltungsschlages – eine vollständige Zerstörung der eigenen Städte, massive Klimaveränderungen und einen Zusammenbruch unserer menschlichen Zivilisation in Kauf nehmen.
Wir dürfen für unsere Sicherheit und eine friedliche Welt nicht auf Atomwaffen setzen. Deshalb wäre es Aufgabe der Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass in einem ersten Schritt die Atommächte auf den Ersteinsatz von Atomwaffen verzichten.
Deutschland könnte in der Nato Initiativen anstoßen, die Verhandlungen zur Rüstungskontrolle von Atomwaffen mit Russland auf den Weg bringen. Ein Angebot des Verzichts auf den Ersteinsatz wäre ein möglicher Türöffner zu Gesprächen mit Russland.
Über diesen Weg könnte die drohende Gefahr einer Eskalation mit Atomwaffen im Ukraine-Krieg entschärft werden. Die Kuba-Krise endete mit einem beiderseitigen Abzug besonders bedrohlicher Atomraketen. Auch heute wäre ein Abzug der russischen Atomraketen aus Kaliningrad und im Gegenzug der US-Atomwaffen aus Deutschland und den übrigen Staaten der nuklearen Teilhabe im Sicherheitsinteresse aller Beteiligten.
Wir müssen den Klimawandel stoppen und die Abrüstung wieder in den Mittelpunkt der internationalen Agenda rücken und dringend handeln, um eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen. Ich bin immer wieder Zeuge des enormen Engagements der Zivilgesellschaft in allen Teilen der Welt geworden. Ich bitte Sie, weiterhin mit uns zusammenzuarbeiten, um eine bessere Welt aufzubauen.
Antonio Guterres an die über 2150 Delegierten der Zivilkonferenz der Vereinten Nationen am 9./10. Mai 2024 in Nairobi
Der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen, der im Januar 2021 in Kraft trat, ist ein Erfolg der internationalen Zivilgesellschaft. Den Vertrag haben inzwischen weltweit 94 Staaten unterzeichnet und 69 haben ihn ratifiziert.
Darunter sind natürlich keine Atomwaffenstaaten. Sondern überwiegend atomwaffenfreie Staaten aus dem Süden und viele kleine Inselstaaten des Südpazifik, deren Bevölkerung noch heute die Folgen der über 2.000 Atomwaffentests zu tragen hat.
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Der Druck auf die Atomwaffenstaaten wird mit jeder weiteren Vertragsunterzeichnung wachsen. Der Verbotsvertrag ist eine historische Weichenstellung in Richtung der von António Guterres geforderten Welt ohne Atomwaffen.
Die Bundesregierung sollte blockfreie Staaten und die Vereinten Nationen darin bestärken, sich auf dem anstehenden Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen im September 2024 in New York für den Atomwaffenverbotsvertrag einzusetzen. Besonders Generalsekretär António Guterres wäre gefordert, den Verbotsvertrag im Abschlussdokument des Gipfels, dem sogenannten "Pact for the Future", verbindlich und wegweisend festzuschreiben.
Es wäre Aufgabe der deutschen UN-Botschafterin Antje Leendertse und ihres Namibischen Kollegen Neville Gertze, die beide verantwortlich den Zukunftsgipfel vorbereiten, den Generalsekretär dabei zu unterstützen.
Anlässlich des weltweiten Gedenktages wäre es ein deutliches Abrüstungssignal, wenn die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen könnte und eine Ratifizierung durch den Bundestag veranlassen würde.
Rolf Bader, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Offizier der Bundeswehr, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte:innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)