Atomwaffen und Klimawandel: Das doppelte Damoklesschwert

Rechts: Thermometer und "CO2". Links: Atombombe, dazwischen rote Erdkugel

Existenzielle Gefahren nehmen zu. Neue Daten zeigen eine ungebremste Erderwärmung. Daneben gibt noch eine größere Bedrohung.

Der menschengemachte Klimawandel bedroht den Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten. Die wissenschaftlichen Daten sind umfangreich und gelten als gesichert.1 Erwärmung der Atmosphäre, Wasser- und Nahrungsmangel, Anstieg des Meeresspiegels, Natur- und Hungerkatastrophen und Artensterben sind die gravierendsten Folgen des weltweiten Klimawandels. Besonders betroffen sind die Länder des Südens.

Der Klimaexperte Mojib Latif vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel geht davon aus, dass bei der sich abzeichnenden Entwicklung das angestrebte Ziel von maximal 1,5 Grad Temperaturanstieg nicht mehr zu halten ist. Der Verbrauch fossiler Energieträger würde 2024 ein Rekordniveau erreichen. Alle Berechnungen zeigten, dass wir auf dem Weg in eine Drei-Grad-Welt seien.

Diese Krisen wurden durch Jahrzehnte rücksichtslosen, nicht nachhaltigen Konsums und nicht nachhaltiger Produktion ausgelöst. Sie verstärken gravierende Ungleichheiten und bedrohen unsere gemeinsame Zukunft, so Inger Andersen, Exekutiv-Direktorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.2

Verantwortlich dafür sind vorwiegend die Industrieländer des Nordens, deren extensive Wirtschafts- und Produktionsweise in Verbindung mit der Externalisierung ihrer Umweltschäden zum Klimawandel beigetragen haben.

Entwicklungsländer fordern Milliardenhilfen

Auf der Weltklimakonferenz COP29 in Baku haben sich Dutzende von der Klimakrise bedrohte Entwicklungsländer und Inselstaaten an die Verursacher des Klimawandels gewandt. Sie fordern Milliardenhilfen, um den Umstieg auf alternative Energien realisieren zu können.

Allein die vom Meeresspiegelanstieg existenziell bedrohten Inselstaaten pochen auf jährliche Klimahilfen von umgerechnet mindestens 37 Milliarden Euro. "Schützt das Leben, nicht die Profite aus fossilen Energieträgern", appellieren Vertreter der südpazifischen Inselstaaten an die Industriestaaten des Nordens.

Prominente Klimaexperten warnen, dass die Erderwärmung auch nach mittlerweile 28 jährlichen Klimakonferenzen nicht gestoppt ist – im Gegenteil, eine Erwärmung um mehr als 3 Grad bis 2100 sei nicht mehr auszuschließen. Ihr Fazit: Es braucht Mechanismen, um Länder zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie Klimaziele und -verpflichtungen nicht einhalten.

Zu den Unterzeichnern des Appells gehören unter anderem Sandrine Dixson-Decleve, Weltbotschafterin des Club of Rome, Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, und der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.

Nach der Wiederwahl von Donald Trump ziehen dunkle Wolken auf. Klimaexperten rechnen damit, dass Donald Trump das Pariser Klimaabkommen von 2015 wieder aufkündigen wird. Eine Entscheidung, die in der Folge zu einem weiteren globalen Temperaturanstieg beitragen würde. Denn Donald Trump, der den Klimawandel infrage stellt, will die Förderung und Nutzung fossiler Energieträger in den USA vorantreiben.

Der militärisch-industrielle Komplex fehlt in der Klimabilanz

Kriege und weltweite Rüstungsausgaben von derzeit über zwei Billionen US-Dollar sind ein Treiber des Klimawandels. Die CO2-Emissionen des Militärs sind für rund 5,5 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Estimating the Military Global Greenhouse Gas Emissions" der "Scientists for Global Responsibility" und des "Conflict and Environmental Observatory".

Konflikte und Kriege werden in der Klimabilanz aufgrund unzureichender Daten nicht berücksichtigt. Das bedeutet, dass direkte Auswirkungen der Kriegsführung wie das Abbrennen von Öltanks und Wäldern, Schäden an Infrastruktur und Ökosystemen sowie der Wiederaufbau und die Gesundheitsversorgung der Überlebenden überhaupt nicht berücksichtigt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die ermittelten 5,5 Prozent eine sehr konservative Schätzung darstellen.

Auf Druck der USA wurden die CO2-Emissionen des Militärs aus den Klimavereinbarungen des Kyoto-Protokolls von 1997 und des Pariser Klimaabkommens von 2015 ausgeklammert.

Wechselwirkungen von Klimawandel, Konflikten und Kriegen

Der Klimawandel fördert Konflikte, die auf Umweltveränderungen zurückzuführen sind. Zunehmende Wasserknappheit und der umkämpfte Zugang zu Quellen, Flüssen und Stauseen führen zu Konflikten, die zu Kriegen eskalieren können.

Dieses Szenario ist primär in den Ländern des Südens sehr realistisch. "Der Klimawandel verstärkt bestehende soziale Ungleichheiten und andere wirtschaftliche, soziale und politische Risikofaktoren, die sich negativ auf die Fähigkeit von Gesellschaften und Akteuren auswirken, gewaltsame Konflikte sowohl zu vermeiden als auch zu lösen", sagt Andrea Steinke vom Centre for Humanitarian Action in Berlin.3

Konflikte und Kriege lösen Fluchtbewegungen von Millionen Menschen aus, die in Hunger und Elend zu überleben versuchen. Im Jahr 2022 werden bis zu 100 Millionen Menschen aufgrund des Klimawandels und daraus resultierender Konflikte auf der Flucht sein, so die Wissenschaftlerin.

Rüstungskontrolle und Abrüstung

Weltweit besitzen die Atomwaffenstaaten knapp 15.000 Atomwaffen. Es gibt keine Garantie, dass diese Waffen nicht eingesetzt werden, wenn die Abschreckung versagt. Wir befinden uns heute in einer politischen Grenzsituation, in der wir uns keine entscheidenden Fehler mehr leisten können. Ein Versagen würde Zerstörungspotenziale freisetzen, die das Leben auf unserem Planeten auslöschen würden.

Der Atomwaffensperrvertrag

Der Vertrag trat 1970 in Kraft und regelt die Nichtverbreitung von Kernwaffen. Gründungsstaaten waren die USA, die Sowjetunion und Großbritannien. 1992 traten China und Frankreich bei. Heute haben 193 Staaten den Vertrag unterzeichnet.

Die Atomwaffenstaaten Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea (einseitiger Austritt 2003) gehören dem Vertrag nicht (mehr) an. Der Vertrag verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, über die vollständige Abschaffung ihrer Nuklearwaffen zu verhandeln. Im Gegenzug verzichten die Unterzeichnerstaaten, die keine Atomwaffen besitzen, auf deren Erwerb.

Der NVV gilt als einer der wichtigsten Rüstungskontrollverträge. Deshalb wäre es notwendig, den Rüstungskontrollprozess wieder in Gang zu bringen und die Atomwaffenstaaten zur Verhandlungsbereitschaft zu bewegen.

Der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen (NVV)

Der Vertrag ist am 22.01.2021 in Kraft getreten. Inzwischen haben ihn weltweit 70 Staaten ratifiziert. Der Vertrag verbietet allen Unterzeichnerstaaten, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern und zu testen. Auch die Weiterverbreitung von Nukleartechnologie ist verboten. Die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen sind damit ausgeschlossen. Der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen weist den Weg zu einer atomwaffenfreien Welt.

Biologische Waffen sind seit 1975, chemische Waffen seit 1997 völkerrechtlich geächtet. Nun gilt dies endlich auch für Nuklearwaffen. Der Verbotsvertrag wird in den kommenden Jahren immer mehr an Gewicht gewinnen und weltweit Staaten zur Unterzeichnung bewegen. Diese Entwicklung wird auch durch den Einfluss der Atomwaffenstaaten nicht aufzuhalten sein. Vielmehr wird der Druck auf sie zunehmen, ihren Verpflichtungen aus dem Nichtverbreitungsvertrag nachzukommen.

Gemeinsame Sicherheit als Chance begreifen

Um die drohende Klimakrise und die Gefahr eines Atomkrieges eindämmen zu können, bedarf es einer Strategie, die zur Konfliktlösung beitragen kann. Der Palme-Bericht über "Gemeinsame Sicherheit", der 1982 den Vereinten Nationen vorgelegt wurde, könnte in seinen Empfehlungen auch heute noch wegweisend sein.4 Damals, mitten im Kalten Krieg, forderte er die Rückkehr zu Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen, die auch heute wieder auf der Tagesordnung der internationalen Politik stehen.

Auch wenn die Revitalisierung des Konzepts in der aktuellen Situation schwierig erscheint, ist Gemeinsame Sicherheit ein Wegweiser in eine Richtung, die nachhaltigen Frieden und Klimagerechtigkeit fördern kann. "Konflikttransformation kann eine sozial-ökologische Transformation unterstützen, um langfristig den von António Guterres vorgeschlagenen 'Frieden mit der Natur' zusammen mit dem 'Frieden zwischen den Menschen' zu erreichen."5

Gemeinsame Sicherheit bietet nicht zuletzt Chancen, widerstreitende geopolitische Interessen auszugleichen und eine Tür für Verhandlungen zu öffnen. Das gilt für den Krieg in der Ukraine ebenso wie für alle anderen Krisenherde der Welt.

Die Rolle der Vereinten Nationen

Die UNO ist eine Weltstaatenorganisation mit insgesamt 193 Mitgliedsstaaten aus allen fünf Kontinenten – mit unterschiedlichen Interessen und Einflussmöglichkeiten, diese auch durchzusetzen. Darunter sind Kleinst- und Inselstaaten aus dem Südpazifik bis zu den führenden Welt- und Atommächten, die den Sicherheitsrat dominieren.

Von der Organisation zu erwarten, sie könne alle Krisen lösen und Kriege verhindern, ist unrealistisch und eine Überschätzung des real Möglichen. Die Vereinten Nationen können zum Ausgleich von Interessenkonflikten beitragen und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um Krisenprävention bemühen.

Vielleicht gelingt es 2025, die auf dem UN-Zukunftsgipfel verabschiedeten Reformpläne in wichtigen Positionen umzusetzen und die Generalversammlung und die Position des Generalsekretärs zu stärken. Die UN-Charta wird auch in Zukunft die Grundlage für gemeinsame Sicherheit und internationales präventives Krisen- und Konfliktmanagement bilden.

Zur aktuellen Lage im Krieg in der Ukraine

Mit der Freigabe weitreichender Waffensysteme durch den noch amtierenden US-Präsidenten Joe Biden ist eine neue, äußerst gefährliche Eskalation im Ukraine-Krieg eingetreten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat die ukrainische Armee erstmals US-Raketen zur Bekämpfung militärischer Ziele auf russischem Territorium eingesetzt.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat darauf reagiert und die Einsatzstrategie der Nuklearstreitkräfte der neuen Bedrohungslage angepasst.

Die USA und Russland verfügen derzeit über rund 3.500 einsatzbereite Nuklearwaffen. Die Gefahr eines Atomkrieges ist so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Erinnert sei an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945: Damals tötete eine primitive Uranbombe mit einer Sprengkraft von 13 Kilotonnen mehr als 100.000 Menschen innerhalb von Sekunden, andere starben qualvoll innerhalb Stunden und Tagen; die Detonationen zerstörten beide Städte vollständig. Dazu genügte jeweils ein einziges Flugzeug mit einer einzigen Bombe.

Welche Handlungsoptionen gibt es, um die aktuelle Krisensituation zu entschärfen? Folgende Prioritäten wären zu setzen:

1. Deeskalation mit dem Ziel, einen unmittelbaren Ersteinsatz von Atomwaffen zu verhindern. Dabei sollten die bereits bestehenden Gesprächskanäle zwischen den Generalstäben der USA und Russlands genutzt werden.

2. Russland Verhandlungsangebote unterbreiten, auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten und bei Gesprächsbereitschaft Russlands den aufgekündigten INF-Vertrag neu zu verhandeln.

3. Trotz aller Schwierigkeiten auf diplomatischer Ebene den Kontakt zu Russland aufrechtzuerhalten, um durch einen dauerhaften und beharrlichen Dialog eine für alle Seiten tragfähige Konfliktlösung zu erreichen. Sowohl Donald Trump als auch Wladimir Putin haben Gesprächsbereitschaft signalisiert.

4. Bundeskanzler Olaf Scholz könnte anbieten, mit Russland über den Verzicht auf die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen zu verhandeln, wenn Russland im Gegenzug die Raketen in Kaliningrad abzieht.

Das wären konkrete Schritte, die wesentlich zur Deeskalation der nuklearen Kriegsgefahr beitragen könnten.

Rolf Bader, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Offizier der Bundeswehr, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte:innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW).