Hitzlspergers Outing ist ein wichtiger Schritt
Dass Hitzlsperger aber aus der sicheren Position des Ex-Profifußballers erfolgt, zeigt, wie weit der Weg hin zu einem Homophobie-freien Fußball nach wie vor ist
Jeder, der sich outet – ob prominent oder "normal sterblich" – ist ein großer Gewinn für mehr Akzeptanz von Verschiedenheit und Anwachsen von Alteritätskompetenz. Dies gilt auch für den früheren Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, der diesen Schritt im Interview mit der am Donnerstag erscheinenden ZEIT gegangen ist.
Zuallererst ist ihm zu diesem Entschluss ganz herzlich zu gratulieren. Als jemand, der sich selbst nach vielen Jahren der Karriere in der katholischen Kirche und im Vatikan als schwul geoutet hat, weiß ich, wie befreiend ein solcher Schritt ist, wie er einen im Ansehen seiner Mitmenschen und im eigenen Selbstwertgefühl wachsen lässt. Ich bin mir sicher, dass es Hitzlsperger ähnlich gehen wird.
Zugleich bleibt auch bei diesem Coming-out, ähnlich wie bei jenem, das Marcus Urban vor einigen Jahren gewagt hat, ein schaler Beigeschmack, der den Zeitpunkt des Outings betrifft. Nicht auf dem Höhepunkt seiner Karriere, nein, wenige Wochen, nachdem er Abschied vom Profi-Fußball genommen hat, hat Hitzlsperger diesen Schritt gewagt. Das nun zu einer Kritik an Hitzlsperger zu machen, wäre einfach nur verfehlt. Vielmehr sollte es zum Nachdenken anregen, welche Atmosphäre noch immer die Welt auch des deutschen Fußballs prägt. Da scheint es im Hinblick auf die Akzeptanz von Homosexualität – trotz aller Versuche auch des DFB, das zu ändern – noch immer zappenduster auszusehen.
Hitzlsperger spricht davon offen in seinem Interview mit der ZEIT: "Kampf, Leidenschaft und Siegeswille" seien die Ideale, die von den Fans bis zu den Fußballern selbst alle von ihren Profis erwarten. Dagegen stehe das gerade hier, aber auch in der gesamten Gesellschaft verbreitete Vorurteil: "Schwule sind Weicheier." Zwar ist es keineswegs so, wie Volker Beck schreibt, dass das Selbst-Outing erst nach der Prof-Karriere "möglich war". Möglich wäre es allemal gewesen – wenn auch unter schweren Opfern. Aber kein Coming-out gibt es umsonst. Hitzlsperger wollte aber aus menschlich verständlichen Gründen diesen Weg nicht gehen.
Dabei wäre gerade das Coming-out eines Profisportlers auf dem Höhepunkt seiner Karriere wichtig, um die genannten Vorurteile zu zerstören. Es ist nicht nur möglich, sondern auch bitter notwendig. Ein Coming-out, das nicht aus sicherem Abstand vom Feld der sportlichen Bewährung und des damit verbundenen monetären Gewinns erfolgt, könnte zeigen: Nicht obwohl, sondern gerade weil ein solcher Sportler offen und ehrlich zu seinem Schwulsein steht, kann er ein guter Fußballer sein. Ein solches risikobehaftetes Sich-Nach-Vorne-Wagen würde echten Kampfes- und Siegeswillen sowie Leidenschaft, wahrhafte Größe und im positiven Sinne echte Männlichkeit offenbaren.
Auch wenn das Coming-out Hitzlspergers in den nächsten Tagen als große Wende gefeiert werden wird, dürfen wir uns dadurch den Blick auf die homophobe Realität – gerade auch im Fußball – nicht verstellen lassen. Wir erleben hier nur einen ersten Schritt hin zu einer Normalisierung der Verhältnisse.
Ein Kommentar von Dr. David Berger, Chefredakteur des Magazins MÄNNER