Hoffen auf den Papst des Bauchgefühls

Katholische Homo-Aktivisten wollen den Papst zu einer Stellungnahme der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA bewegen

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Papst Franziskus ist – im Unterschied zu seinem hoch intellektuellen Vorgänger – ein Papst des Bauchgefühls. Und machen wir uns nichts vor: das kommt bei den Massen, auf die die katholische Kirche nun wieder setzt, äußerst gut an. Was in den kirchlichen Gesetzen und Lehrbüchern steht, das hat die Mehrheit der Katholiken nie interessiert. Es war immer die Show, Balsam für das Gefühl, das diese Kirche stark gemacht hat. Das weiß auch Franziskus. Und es passt zu ihm. Denn auf der intellektuellen Ebene ist mit ihm kein Staat zu machen. Häufig weiß er heute schon nicht mehr, was er noch gestern gesagt hat. Und wirklich wichtig ist das für seine Massenrelevanz auch nicht.

Von daher ist es gar nicht so dumm, dass nun schwule und lesbische Katholiken, die Schmuddelkinder der Catholica, mit eben jenem Bauchgefühl bei ihm "landen" und ihn überzeugen wollen. Anlass für ihre Bauchgefühl-Offensive ist der erste Pastoralbesuch von Papst Franziskus in den Vereinigten Staaten in der ersten Septemberwoche.

Der Besuch des allseits beliebten Pontifex steht unter dem Eindruck der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, der die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare für alle Bundesstaaten der USA beschlossen hat. Während aus dem Vatikan dazu ablehnende Statements kamen, hat der Papst selbst dazu bislang keine Stellung genommen.

Wie die New York Times berichtet, wollen ihn nun katholische Homo-Aktivisten zu solch einer Stellungnahme drängen. Mehrere LGBT-Gruppen haben sich zusammen getan und einen offenen Brief an den Papst formuliert, in dem sie um ein Treffen mit ihm bitten. Sie wollen ihm persönlich ihre Probleme mit der kirchlichen Ächtung von schwulem und lesbischem Sex und der Homo-Ehe mitteilen. Und hoffen darauf, dass sich dann der Papst Einsehen haben und sich für ihr Anliegen stark machen wird. Sie setzen dabei besonders auf die menschliche Komponente und hoffen auf das Mitleid des Papstes.

Die New York Times zitiert mehrere schwule, lesbische und transsexuelle Katholiken, die den Papst treffen wollen. So etwa Lui Akira Francesco Matsuo, einen 28-jährigen Trans-Mann aus Detroit: "Ich bin ein praktizierender Katholik. Und will nur eine Kirchengemeinde, die für mich Heimat ist." Marianne Duddy-Burke, die Vorsitzende von "DignityUSA", einer katholischen LGBT-Gruppe, die federführend an der Abfassung des Offenen Briefes beteiligt war, bedauert es besonders, dass so viele schwule und lesbische Menschen die katholische Kirche verlassen hätten. Der einzige Grund für diesen Auszug aus der Kirche sei meist, dass sie die durch die päpstliche Lehre vorgeschriebene Diskriminierung nicht mehr ausgehalten haben: "Jeder von uns hat solche diskriminierenden Ereignisse durchlitten und sie schädigen Menschen nachhaltig. Es ist Zeit, dass ihnen ein Ende gemacht wird."

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es zu diesem Treffen kommen wird. Und auch die Hoffnungen der gefühlvollen katholischen Homo-Aktivisten werden wohl nicht enttäuscht werden. Sie dürfen auf gefühlvolle Worte, auf Empathie und Mitleid dieses Papstes hoffen. Vielleicht sogar auf Bilder gefühlvoller Umarmung, die um die Welt gehen. An der Lehre, die schwulen und lesbischen Sex als schwer sündhaft verurteilt, wird sich aber gar nichts ändern. Aber wen kümmert das schon?

Der habilitierte Theologe David Berger ist Autor des Buches "Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche", aus der er inzwischen ausgetreten ist. Bis Februar 2015 war er Chefredakteur des Livestylemagazins Männer.