Hongkong: Keine Beruhigung in Sicht
Neue Drohgebärden aus Beijing. Trump mischt sich verkomplizierend ein. Sollte er an einer Eskalation interessiert sein?
China hat größere Einheiten seiner Militärpolizei an der Grenze zur Autonomen Verwaltungsregion Hongkong zusammen gezogen, berichtet Asia Times Online. Der chinesische Botschafter in London habe angekündigt, dass diese eingesetzt werden sollen, wenn sich die Lage in der Stadt verschlimmern würde.
Auch am gestrigen Donnerstag kam es bei einer Demonstration in einem der ärmeren Stadtteile zu einem Tränengaseinsatz. Demonstranten hatten vor einer Polizeistation gegen Festnahmen und Polizeigewalt demonstriert. Fotos zeigen eine einzelne US-Fahne, die mitgeführt wurde. Einige verbrannten Bilder von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam.
In der Metropole an der Mündung des Per Flusses – bis 1997 britische Kolonie und seitdem autonomer Teil der Volksrepublik China mit eigener Mini-Verfassung, eigener Wirtschaftspolitik und eigener Währung – wird seit Anfang des Sommers über einen Gesetzentwurf der Stadtregierung gestritten, der Auslieferungen an das chinesische Mutterland vereinfachen würde.
Das ist unter anderem deshalb brisant, weil Hongkong bisher einer ganzen Reihe oppositioneller Chinesen Zuflucht gewährt hat. Formal geht es darum, dass das Gesetz – so es denn beschlossen wird – den Behörden erlauben würde, Hongkonger Bürger, chinesische Bürger und Ausländer auch an Staaten auszuliefern, mit denen es kein Auslieferungsabkommen gibt. Das könnte zum Beispiel China sein oder auch Taiwan, das von Carrie Lam gerne als Vorwand vorgeschoben wird.
Die Regierungschefin hätte nach dem Entwurf die Befugnis, über eine Auslieferung zu entscheiden. Dazu muss man wissen, dass Hongkongs Regierungsoberhaupt nicht freigewählt ist, sondern von einem Wahlleutegremium bestimmt wird, das nur zum kleineren Teil aus freien Wahlen hervorgeht und in dem ansonsten zahlreiche Vertreter der Geschäftswelt und diverser Berufsverbände sitzen. Diese können darüber hinaus nur aus einer zuvor von der Zentralregierung in Beijing abgesegneten Kandidatenliste aussuchen.
Auf der bisher größten Demonstration gegen das Gesetzesvorhaben hat Anfang Juni eine Million Menschen protestiert, ein knappes Siebentel der Hongkonger Bevölkerung. Seitdem kommt es jedes Wochenende zu weiteren Demonstrationen und zuletzt auch vermehrt zu Zusammenstößen mit der Polizei, wie verschiedentlich berichtet wird.
In Hongkong hat es seit 1997 wiederholt massive Proteste gegen die Einschränkung demokratischer Rechte und für die Einführung eines allgemeinen Wahlrechts gegeben. Dabei wurden durchaus einige Erfolge erzielt.
Dieses Mal ist die Situation jedoch komplizierter, wie Hongkonger Beobachter anmerken. Anders als in früheren Jahren hat die chinesische Regierung über ihr Verbindungsbüro in Hongkong für alle offensichtlich und stark in die öffentliche Debatte eingegriffen und sich auf die Seite Lams gestellt. Dadurch würde ein Nachgeben oder gar ihr Rücktritt, wie ihn die Protestierenden fordern, zugleich einen Gesichtsverlust für die Regierung in Beijing bedeuten.
Den kann diese aber aus allgemeinen kulturellen und konkreten innenpolitischen Gründen unmöglich hinnehmen, um so weniger, als sich nun auch noch US-Präsident Donald Trump einzumischen scheint. Damit würde ein Nachgeben einem Zurückweichen vor den USA gleichkommen, was in China für erheblichen Unmut in der Bevölkerung sorgen würde.
Was Trumps Agieren angeht, muss man sich fragen, ob es im Weißen Haus nun gar keinen China-Kenner mehr gibt, der den Epstein-Freund beraten könnte, oder ob tatsächlich wissentlich Öl ins Feuer gegossen werden soll. Aus Washingtoner Sicht würde Letzteres vermutlich Sinn machen, insofern man dort an einer Schwächung Chinas interessiert ist.
Für das kommende Wochenende sind weitere Proteste angekündigt, die allerdings von den Behörden verboten wurden.