Hongkong: Klarer Wahlsieg für die Opposition
In der autonomen, zu China gehörenden Stadt hat der Protest die Kommunalparlamente erreicht
Die Demokratiebewegung hat bei den Hongkonger Kommunalwahlen einen deutlichen Sieg erzielt. Zum ersten Mal, seitdem die Stadt 1997 aus der rund 150jährigen britischen Kolonialherrschaft entlassen und an China zurückgegeben wurde, haben die diversen demokratischen und linken Parteien und Bewerber, die nicht der von Beijing (Peking) vorgegebenen Linie folgen, bei einer Wahl eine Mehrheit erzielt.
Und zwar eine deutliche. In 17 der 18 Bezirke, die zuvor allesamt in der Hand der Pro-Beijing-Parteien des Establishments waren, hat nun die Opposition die Mehrheit, berichtet die in Hongkong erscheinende South China Morning Post. Die Zeitung spricht von einem "Tsunami der Unzufriedenheit“.
Auf Bildern den Wahlsieg feiernder Personen sind sowohl in der Post als auch bei der HK Free Press ganz überwiegend sehr junge Menschen zu sehen. Mancher der zu vergebenden 452 Sitze wurde von sehr jungen Kandidaten erobert, die in den Protesten der vergangenen Monate eine Rolle gespielt hatten. Die Erstwähler sollen einen wichtigen Anteil daran gehabt haben, dass eine Reihe prominenter Figuren des Establishments abgewählt wurden.
Die Kommunistische Partei Chinas trat wie üblich nicht zur Wahl an. In Hongkong war sie unter britischer Kolonialherrschaft zunächst lange verboten, tritt aber auch nach der Übergabe der Stadt an China 1997 nicht offen in Erscheinung. Ihre Vertrauensleute und vielleicht auch Mitglieder sitzen in einigen der bisher unangefochten regierenden Parteien wie der DAB, der Democratic Alliance for the Betterment and the Progress of Hong Kong, die eng mit der Hongkonger Geschäftswelt verbunden sind.
Rund 2,94 der 4,1 Millionen Wahlberechtigten haben ihre Stimme abgegeben, was einer Rekordbeteiligung von 71,2 Prozent entspricht. Bei den letzten Bezirkswahlen hatten sich 2015 47 Prozent beteiligt und bei den letzten Teilwahlen des Stadtparlaments 2016 waren es 58 Prozent.
Die 7,5-Millionen-Stadt mit eigener Währung und Wirtschaftspolitik wird seit Monaten von massiven Protesten und zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten durchgeschüttelt. Der Unmut hatte sich an einem Gesetzentwurf entzündet, der die Auslieferung von Personen ermöglichen sollte, die in anderen Staaten wie China oder Taiwan gesucht werden.
Die oft militanten Proteste werden vor allem von einer ganz jungen Generation getragen, die zum Teil noch in ihren Teens und ansonsten selten älter als Anfang 20 ist. Im Zentrum stehen fünf Forderungen, auf die sich die Unzufriedenen beziehen:
- Das geplante Gesetz zur Auslieferung gesuchter Personen zum Beispiel an die Volksrepublik soll vollständig und auch formal zurückgezogen werden. Bisher hat die Hongkonger Regierung nur erklärt, es werde nicht weiter verfolgt.
- Eine unabhängige Kommission soll die Polizeigewalt der vergangenen Monate untersuchen.
- Der Vorwurf des "Aufruhrs" oder schweren Landfriedensbruchs, wie man hierzulande sagen würde, gegen die Besetzer des Parlaments im Juni soll zurückgenommen werden. In Hongkong drohen bei einer entsprechenden Verurteilung bis zu zehn Jahren Gefängnis.
- Amnestie für alle Festgenommenen.
- Allgemeines und gleiches Wahlrecht sowohl zu den Wahlen zum Hongkonger Parlament als auch für den Posten des Regierungschefs. Bisher werden die Parlamentssitze mehrheitlich von Berufs- und Unternehmerverbänden besetzt. Die Regierungschefs werden von einem 1200köpfigen Wahlmännergremium besetzt, das ebenfalls mehrheitlich durch die genannten Verbände besetzt wird. Die restlichen Vertreter werden vom Parlament bestimmt. Das System wurde zum Teil Anfang der 1990er ,zum Teil erst bei der Übergabe an China 1997 installiert. Zuvor war die Kolonie weitgehend ohne örtliche Einflussmöglichkeiten von Vertretern Londons regiert worden.