Ich kann Dich nicht sehen - oder bist Du ein Gebäude?
Auf Google Streetview soll ich jetzt bald einen Freund, den ich treffen will, als blauen Punkt finden. Das passt irgendwie zu ihm, das kann aber auch schiefgehen
Mein lieber Freund Pex und ich haben uns neulich in Schaffhausen verabredet und wollten ungefähr zeitgleich am dortigen Bahnhof ankommen. Da würden wir uns dann schon finden. Also, um es zuzugeben, haben wir erst einmal nicht. Denn zum einen sind wir beide kurzsichtig, zum anderen sind wir Männer, und deshalb rennen wir aneinander vorbei, auch wenn es wie in diesem Fall nur sechs Gleise gibt, auf denen man sich nicht finden kann. Haben wir gemacht. Hätten wir anders machen sollen.
Nun gibt es zwar die Möglichkeit, den eigenen Standort über WhatsApp zu teilen, aber daran hatten wir natürlich auch nicht gedacht. Wäre ja noch schöner, wenn Männer ihre Technik auch noch sinnstiftend einbringen würden.
Kein Problem, sagt darauf Google, wir haben da ein tolles neues Feature speziell für männliche Apple-iPhone-Nutzer in der Planung, die ja bekanntermaßen nicht die techniksouveränsten sind. Die Herren müssen, wenn das Feature also auf den Markt kommt, einfach nur Google Street View auf ihren Smartphones starten und sich dann den Standort mitteilen.
Das kann man machen, denke ich mir. Ein kleiner blauer Punkt, bekannt aus Funk und Fernsehen, wird dann live in die StreetView-Blase geblubbert und zeigt mir zum Beispiel beim Schwenk über den Bahnhofsplatz an, ob Pex vielleicht dahinter auf Gleis 3 steht. Gut, Street View wird jetzt nicht gerade auf den Gleisen eins bis sechs des Schaffhausen Bahnhofs Aufnahmen gemacht haben, man lässt ja nicht einmal in der Schweiz den Kamerawagen von Google einfach so auf den Gleisen fahren. Aber hey, wir würden uns dann dort schon nicht finden. Hätten wir ohne Google Street View ja auch nicht, also kann es nichts schaden, selbst wenn es nichts nützt.
Und ausgerechnet dann, wenn man denkt, dass das doch eigentlich ein schönes Feature sein könnte, um in Zukunft andere Freunde leichter zu finden (denn Pex mag Street View nicht, nein, prinzipiell nicht), fällt einem ein, dass man ja als Bürger egal welchen Landes Google zum Schutze der Privatsphäre auffordern kann, die Aufnahmen des eigenen Hauses und Vorgartens zu verunschärfen. Ich denke mir, Privatsphäre hin oder her, das macht die Sache mit dem blauen Punkt dann doch ein wenig schwierig.
Angenommen ich will mich mit jemandem treffen, nutze dieses Feature und sehe dann statt einem Blaupunkt vor einem wiedererkennbaren Haus mit Vorgarten selbigen nur in einem verschwommenen Etwas herumhumpeln, dann trägt das nicht wirklich zur gesellschaftlichen Sicherung meines Abendessens und Plauderns bei. Ich kann mir vorstellen, dass dann ein schneller Anruf der Marke "Bist Du der Blaue da auf diesem Wischfeld" eher noch verwirrend wird.
Ich sollte vielleicht noch anmerken, dass der Akku meines iPhones an diesem Abend in Schaffhausen gerade den Nullstand erreichte, als ich in den Bahnhof einfuhr. Das macht dann alle Google Features der Welt ein wenig schwierig. Anrufe aber auch. Ich werde also bei solchen Treffen wieder auf Brieftauben umsteigen müssen. Die müffeln nur leider so streng, wenn man sie im Zug mitnehmen muss.