Illegale Beschneidungen

Ein Urteil des Kölner Landgerichts ordnet das Grundrecht auf Religionsfreiheit dem Recht auf Unversehrheit des Kindes unter

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Beschneidungen von nicht einwillungsfähigen Jungen aus rein religiösen Gründen sind strafbar, dies entschied gestern das Landgericht Köln. In einer Abwägung des Grundrechtes auf körperliche Unversehrtheit und der Grundrechte der Eltern – Religionsfreiheit und Erziehungsrecht – haben die Richter das Wohl des Kindes, die körperliche Unversehrtheit, höher gestellt. Die Rechte der Eltern seien "nicht unzumutbar beeinträchtigt", heißt es in der Pressemitteilung zum Urteil, "wenn sie gehalten seien abzuwarten, ob sich das Kind später selbst für eine Beschneidung entscheidet".

Nach der jüdischen und islamischen Tradition werden männliche Kinder beschnitten. Als Begründung für die jahrhundertealte Praxis wird unter anderem angeführt, dass die Zirkumzision hygienische Vorteile hat und Krankheiten vorbeugt. Das Gericht schloss sich anders als zuvor das Amtsgericht Köln diesen Argumenten nicht an. Es begreift religiöse Beschneidungen als "rechtswidrige Körperverletzung".

In einer ersten Reaktion bezeichnete der Zentralrat der Juden in Deutschland die Entscheidung als "beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften". Nun müsse der Bundestag für Rechtssicherheit sorgen. Die Religionsfreiheit müsse vor Angriffen geschützt werden. Für Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats, ist die Entscheidung des Kölner Gerichts ein "unerhörter und unsensibler Akt":

"Die Beschneidung von neugeborenen Jungen ist fester Bestandteil der jüdischen Religion und wird seit Jahrtausenden weltweit praktiziert. In jedem Land der Welt wird dieses religiöse Recht respektiert."

Vom Zentralrat der Muslime gibt es noch keine Stellungnahme.

Laut dem Strafrechtler Holm Putzke, der von vielen Medien zur Sache zitiert wird, dürfte das Urteil des Kölner Gerichts, obwohl es nicht bindend ist, "eine Signalwirkung entfalten". Was darauf hinausläuft, dass Ärzte, wenn sie die Beschneidung nicht durch eine Phimose medizinisch rechtfertigen können, möglicher strafrechtlicher Verfolgung aussetzen. Das könnte zur Folge haben, dass das Ritual künftig vermehrt ohne ausreichende medizinische Kompetenz durchgeführt wird und hygienische und andere Risiken birgt.

Für den Strafrechtler Putzke ist demgegenüber entscheidend, dass es zu einer Diskussion darüber kommt, "wie viel religiös motivierte Gewalt gegen Kinder eine Gesellschaft zu tolerieren bereit ist".