Im Frauenabteil sind wir sicher. Sicher?
Die Idee, in Zügen Abteile speziell für alleine oder mit Kindern fahrende Frauen einzurichten, wirkt nur auf den ersten Blick sinnvoll. Sie bedient vor allen Dingen eine Scheinsicherheit
Ein bekannter Scherz bezüglich der Videokameraüberwachung lautet, dass die kleine Kamera sich wagemutig in den Kampf begab, um denjenigen zu retten, der in Not war. Der Hintergrund dieses Scherzes ist klar: Videokameras verhindern keine Straftaten, sie können ggf. dazu beitragen, dass jemand, der eine Straftat begeht, davon absieht, weil er fürchtet, er könne zu schnell ermittelt werden.
Für das Opfer einer Straftat, die auf Videokamera aufgezeichnet wird, bedeutet dies aber letztendlich nur die Möglichkeit, den Täter schneller verurteilt zu sehen oder zivilrechtlich belangen zu können, das Zum-Opfer-Werden wird jedoch natürlich nicht verhindert. Eine Sicherheit ist insofern höchstens dann gegeben, wenn jemand die Kamera rund um die Uhr im Blick hat und bei einer Straftat auch schnell eingreifen kann. Dies ist jedoch, sieht man sich die Fülle der Videokameras an, die das öffentliche Leben derzeit betrachten, nicht wirklich anzunehmen; auch weil die Menge des Sicherheitspersonals im Verhältnis zu den Kameras doch eher spärlich ausfällt.
Die speziellen Abteile für alleinreisende, bzw. nur mit Kindern reisende, Frauen sind eine ähnliche Scheinsicherheitslösung. Sie ist zudem geeignet, die Gesellschaft weiter zu spalten, statt auf ein Miteinander zu setzen. Die "Frauenabteile" sollen Frauen vor Belästigung und sexueller Gewalt schützen, sie sollen in der Nähe des Personalabteils angesiedelt werden.
Die Idee ist dabei nicht neu und auch dort, wo sie schon diskutiert, geplant oder gar eingeführt wurden, stießen sie letztendlich weder auf große Begeisterung noch auf regen Zuspruch. In Großbritannien fühlen sich viele Menschen an die "Ladies only"-Wagen der Bahn erinnert, die erst in den späten 70er Jahren abgeschafft wurden, in Tschechien drohte der "Väter-Bund" mit einer Klage, sollten die Abteile realisiert werden. Andere Länder wie Japan, Indien oder Mexiko haben spezielle Frauenabteile.
Doch die Frage ist auch: Warum soll es diese Abteile geben und was genau sollen sie leisten? Die deutschen Bahnen, die sich mit der Einführung der Frauenabteile beschäftigen, sprechen davon, dass Frauen sich sicherer fühlen sollen, wenn sie in einem Abteil sitzen, welches nahe dem Zugpersonal ist. Dabei wird stets das Sicherheits_gefühl_ betont, was jedoch trügerisch sein kann. Um mehr Sicherheit und nicht nur das Gefühl einer solchen Sicherheit zu ermöglichen, müsste jederzeit jemand vom Zugpersonal auch im entsprechenden Abteil für das Personal sitzen, um einzugreifen, sollte er über entsprechende Probleme informiert werden.
Diejenigen, die in dem Abteil sitzen, müssten also weiterhin entweder durch lautes Rufen oder aber das Betätigen eines Knopfes auf das Problem aufmerksam machen oder aber direkt zum Nebenabteil kommen – was auch ganz ohne Frauenabteil möglich wäre. Um natürlich bei mehreren Vorkommnissen schnell agieren zu können, müsste das Personal aufgestockt werden, was dann aber die Frauenabteile, so das Personal auch "unterwegs" ist und nicht nur im Personalabteil sich aufhält, ad absurdum führen würde.
Unabhängig von der Frage der Scheinsicherheit stellt sich aber auch die Frage, was dies hinsichtlich des Umganges der Geschlechter miteinander bedeutet, wenn eine Geschlechtertrennung angeregt wird, um Vorkommnisse oder gar Straftaten zu vermeiden. Es wäre zunächst einmal zu ermitteln ob die Situation für alleinstehende Frauen oder alleine mit Kind(ern) reisende Frauen tatsächlich so dramatisch ist, wie sie erscheint, wenn es dafür eine spezielle Lösung geben soll.
Ferner wäre zu überlegen, wie man dem Problem sonst zu Leibe rücken könnte und was es für Frauen bedeutet, wenn es heißt "hier in diesem Abteil seid ihr sicher(er)", aber natürlich nur ein gewisser Prozentsatz der reisenden Frauen in diesem Abteil auch einen Platz bekommt. Sollen sich die anderen Frauen dann weniger geschützt fühlen, da das erhöhte Sicherheitsgefühl ja nur denen vergönnt wird, welche das spezielle Abteil aufsuchen? Wird ggf. dann diese Scheinlösung zur Argumentation "warum sind Sie nicht ins Frauenabteil gegangen" führen?
Nicht zuletzt bedeutet diese "Lösung", so sie den Namen verdient, auch eher eine Erhöhung des Unsicherheitsgefühls. "Wir brauchen Frauenabteile, in denen sich Frauen sicher fühlen", suggeriert, dass Frauen sich per se unsicher fühlen müssten bzw. sie nicht in Sicherheit sind, gleichzeitig suggeriert es auch, dass Gefahren vornehmlich von männlicher Seite ausgehen und sich ebenso vornehmlich gegen alleinreisende Frauen richten.
Dies hat nicht zuletzt auch eine ungünstige Wirkung hinsichtlich der Männer, denen, genauso wie den Frauen in den Nichtfrauenabteilen, man zu verstehen gibt: Tut uns leid, aber ihr seid nur zweite Klasse, wenn ihr euch sicher fühlen wollt, dann geht halt ins Frauenabteil. Nur wird den Männern letztendlich gesagt: Pech gehabt, denn für euch gibt es keine solchen Abteile. Dies zementiert weiterhin auch die Vorurteile und die Ansicht des mutigen, starken Mannes, der sich um seine eigene Sicherheit kümmern kann, während die Frau dafür fremde Hilfe benötigt. Dass Transportunternehmen die Sicherheit ihrer Fahrgäste im Auge haben und ihnen bei Not helfen sollten, steht außer Frage, dies sollte aber unabhängig vom Geschlecht geschehen.