Italien stürzt ab!
Wie zu erwarten war, zieht die chaotische EU-Politik und die italienische Chaosregierung auch den Schuldenmeister im Strudel abwärts
Die Schuldenkrise in Europa tritt in eine neue Etappe ein und erreicht nun unzweifelhaft Italien. Dass sich die EU in der Griechenland-Frage handlungsunfähig zeigt, beschleunigt den Vorgang. Nachdem die Ratingagenturen nachgesetzt haben, um eine private Gläubigerbeteiligung an der zweiten Griechenland-Nothilfe zu verhindern, und auch Portugals Kreditwürdigkeit auf Ramsch-Status gesetzt haben, wird der Druck in der Eurozone immer massiver, weil es nun auch kritisch für Italien wird.
So wird man in Brüssel, Berlin und Paris bald wieder eilig hinter den Ereignissen hinterherhecheln müssen, weil man nicht endlich den nötigen Schuldenschnitt auf die Tagesordnung setzt und lieber den Schrecken ohne Ende als ein Ende mit Schrecken bevorzugt.
Wie deutlich sich die Lage im Euroraum verschärft, hat sich am Freitag am Schuldenmeister Italien gezeigt. Schon in den letzten Wochen waren die Zinsen für italienische Staatsanleihen deutlich gestiegen, nachdem Standard & Poor's (S&P) im Mai angedroht hatte, die Kreditwürdigkeit des großen Eurolands zu senken. Nach dem Warnschuss stiegen die Renditen für zehnjährige Anleihen auf 4,85%, das waren schon 187 Basispunkte mehr als Bundesanleihen. Am Freitag stieg der Zinsunterschied (Spread) sogar auf das IND: Allzeithoch von 244 Basispunkten. Die italienischen Anleihen wurden mit Renditen von mehr als 5,3% gehandelt.
Die Zinsen, so zitiert Reuters einen Analysten der WestLB, "nähern sich einem Niveau, das angesichts der Schuldenrefinanzierung Sorgen bereitet". Tatsächlich müssen derlei Zinsen keine Sorgen bereiten, sondern die Alarmglocken schellen lassen. Denn ein Zinsaufschlag von einem Prozentpunkt bedeutet für die immer lauter tickende Zeitbombe Italien , das einen Schuldenberg von zwei fast Billionen Euro vor sich herschiebt, eine enorme Mehrbelastung. Der Spread vom Freitag bedeutet, verkürzt gerechnet, dass Italien jährlich etwa 50 Milliarden Euro mehr für Zinsen ausgeben muss als es Deutschland müsste. Gerade hat die Berlusconi-Krisenregierung einen Sparplan vorgelegt, um bis 2014 etwa 47 Milliarden einzusparen. Die würden in nur einem Jahr durch die steigende Zinslast schon wieder aufgefressen, wenn sie komplett umgesetzt werden.
Während sich auch die spanischen Anleihen mit mehr als 280 Basispunkten erneut einem Allzeithoch nähern und damit auch das abstürzende viertgrößte Euroland stärker unter Druck kommt, sprechen diverse Anleger davon, dass der Angriff auf Italien begonnen hat. "There is an attack against Italy, this is very clear", zitiert Reuters einen Fondsmanager der Mailänder Börse. Auch die US-Nachrichtenagentur lässt einen Anleger sprechen, der davon ausgeht, dass mit Italien nun ein "ein großes Ziel" ins Auge gefasst wurde.
Italien ist ein ausgezeichnetes Ziel. Denn das Berlusconi-Land erlebt nicht nur eine politische Dauerkrise, sondern auch seit vielen Jahren eine Dauer-Verschuldungskrise. Die Staatsverschuldung hatte lange vor Griechenland die sehr gefährliche Schwelle von 100% überschritten und lag Ende 2010 schon bei fast 120%. In absoluten Zahlen ist das Land beim Schuldenmachen nur von Deutschland übertroffen, befindet sich aber in einer tiefen strukturellen Krise.
Obwohl in Italien kein harter Sparkurs wie in Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien gefahren wird, dümpelt es am Rande der Rezession herum. Das schwache Wachstum von 0,3% im 3. Quartal 2010 ging im Folgequartal auf 0,1 zurückging und es verharrte auch im ersten Quartal 2011 kurz vor der Stagnation. In der gleichen Zeit verzeichneten die anderen großen Euroländer Deutschland und Frankreich deutliche Wachstumsraten.