Japan Airlines ist abgestürzt

Ist die Insolvenz der größten asiatischen Fluglinie symptomatisch für den Absturz des Landes?

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Die Fluglinie Japan Airlines (JAL) hat am Dienstag angesichts ihrer Milliardenschulden Insolvenz angemeldet. Der Absturz der einstigen Prestigefluglinie zeichnete sich seit langer Zeit ab und stellt die größte Pleite eines japanischen Unternehmens außerhalb des Finanzsektors dar. Die größte Fluglinie Asiens hat Verbindlichkeiten in einer Höhe von umgerechnet etwa 17,8 Milliarden Euro aufgetürmt, nachdem sie 1987 privatisiert worden war. Von den Schulden müssen die Gläubiger gut 5,6 Milliarden abschreiben. Mit etwa 4,6 Milliarden Euro springt nun wieder der Staat dem Unternehmen zur Seite, um den weiteren Flugbetrieb zu sichern.

"Eigentlich hätte die Fluglinie Konkurs anmelden müssen", erklärte der Transportminister Seiji Maehara auf einer eilig einberufenen Presskonferenz. Man wolle aber nun die gemachten Fehler korrigieren, kündigte er an. "Alle müssen dafür zusammenarbeiten, wie das die Angestellten und die Rentner getan haben, die auf einen Teil ihrer Rente verzichtet haben", fügte er an. Mehr als zwei Drittel der JAL Rentner verzichteten bereits auf 30 % ihrer Pension, und auch die Mitarbeiter haben einer harten Kürzung ihrer Betriebsrentenansprüche zugestimmt. Die Insolvenz bedeute "nicht das Ende, sondern den Neustart" des Unternehmens, betonte der Verkehrsminister.

Ein guter Teil des Schuldenerlasses geht auf Kosten der Steuerzahler. Schließlich hat die frühere Staatsfirma auch von den konservativen Vorgängerregierungen der Liberaldemokratischen Partei immer wieder Milliarden aus dem Steuersäckel erhalten. Um aber nicht den gesamten Schuldenerlass beim Steuerzahler abzuladen, sollen die Banken auf etwa 2,5 Milliarden Euro verzichten. Doch damit wird der Löwenanteil wieder einmal der Allgemeinheit aufgehalst. Dazu kommt, dass es keinen Neustart für fast 16.000 Mitarbeiter geben wird. Ein Drittel der Belegschaft wird auf die Straße gesetzt und unprofitable Strecken werden eingestellt. Der bisherige Konzern-Chef, Haruka Nishimatsu, ist zurückgetreten. Neuer Präsident wird Kazuo Inamori. Der schon 77-Jährige gründete einst die legendäre Elektronikfirma Kyocera.

Die ehemals staatliche Fluggesellschaft galt lange als ein Symbol des wirtschaftlichen Wiederaufstiegs des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg. Ob sie tatsächlich wieder auf die Beine kommt, ist fraglich. Neben den hohen Schulden und Kosten für die Restrukturierung kämpft die JAL auch mit steigenden Kerosinpreisen und mit sinkenden Passagierzahlen. Auch müssen viele der alten Flugzeuge ersetzt werden. Die Frage ist, ob der Absturz der Prestigefirma nicht vielmehr heute symptomatisch für den Absturz eines Landes steht.

Denn Japan kommt nach dem Platzen der Immobilienblase in den 90er Jahren insgesamt nicht wieder auf die Beine. Erneut hält die gefährliche Deflation das Land im Griff. Die Verschuldung ist explodiert und steigt über die Abschreibung der JAL-Schulden und Hilfsmaßnahmen nun noch stärker an. Gegenüber der Gesamtverschuldung von gut 200 % des Bruttoinlandsprodukts, die anleihemaerkte-das-mega-schulden-risiko-japan/50062061.html: bis 2014 auf etwa 250 % ansteigen dürfte, sind die 300 Milliarden Euro Gesamtschulden Griechenlands, das gerne als Pleitekandidat gehandelt wird, geradezu bescheiden. Dass Japan die Geldmärkte flutet und ein Konjunkturprogramm nach dem anderen auflegt, wie es der IWF fordert, hat am Absturz nichts geändert, aber die Schulden extrem gefährlich in die Höhe getrieben.

Kein Wunder ist daher, dass auch eine mögliche Staatspleite Japans niemand mehr ausschließen kann. So sprach die Rating-Agentur Moody's zum Beispiel von einem "turbulenten Jahr" für Staatsanleihen. Eine Staatspleite Japans "könnte nur ein Vorbote" ganz anderer Pleiten sein. Warum die Ratingagenturen aber die Kreditwürdigkeit Japans weiter als hoch einschätzen, ist eines der vielen Rätsel, die einem die selbsternannten Bonitätswächter aufgeben. Trotz der Extremverschuldung stuft Standard & Poor's (S&P) das Land weiter mit "AA" ein. Griechenland wurde dagegen schon auf "BBB+" (5 Stufen darunter) gesetzt. Dabei ist ein Absturz eines Lands im Euroraum, entgegen aller anders lautenden Drohgebärden unserer Politiker, undenkbar, weswegen Griechenlands Kreditwürdigkeit gesichert ist. Wenn eine Bank wie die Hypo Real Estate (HRE) als systemisch (unbedingt zu retten) erklärt wird, dann ist es auch nicht vorstellbar, ein Euroland in die Pleite abschmieren zu lassen. Der Schaden wäre für die Gemeinschaft und den Euro enorm viel größer, als auch den Griechen die Milliarden durchzureichen, die man in Banken wie der HRE versenkt hat.

Wie man dagegen mit einer möglichen Staatspleite in Japan umzugehen gedenkt, damit haben sich die Verantwortlichen wohl noch nicht einmal im Alptraum beschäftigt. Angesichts der Schockwellen, die allein durch die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers weltweit ausgesendet wurden, bekommt man eine Ahnung, was ein Zusammenbruch Japans bedeuten würde.

Dabei wird immer öfter von Monsterblasen gesprochen, die sich gefährlich aufblähen. Sie können vermehrt entstehen, weil die Notenbanken, allen voran die US-Notenbank, die Geldschleusen bis zum Anschlag geöffnet haben und sie weiter offen halten. So gehen immer mehr Analysten davon aus, dass nach Dubai eine "tausendmal schlimmere" Spekulationsblase in China zu platzen droht. Die davon ausgehende Druckwelle wäre weltweit ohrenbetäubend.