Keine Wahl in Portugal
Über die EU-Nothilfe soll jeder neuen Regierung nach den Wahlen am Sonntag ein strenger Sparkurs diktiert werden
Eigentlich hatten sich die Sozialdemokraten (PSD) in Portugal Hoffnungen gemacht, als glänzende Sieger aus den vorgezogenen Neuwahlen am Sonntag hervorzugehen. Als Umfragen der Partei, in Wahrheit eher konservativ, im März sogar eine absolute Mehrheit prognostiziert haben, entzog die Partei von Pedro Passos Coelho der Minderheitsregierung der Sozialisten (PS) - eine sozialdemokratische Partei – plötzlich die Unterstützung für das vierte Sparpaket. Jose Socrates stürzte und beraumte Neuwahlen an. Derweil hat das Land als drittes Euroland bei der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Nothilfe in einer Höhe von 78 Milliarden Euro beantragt.
Schaut man sich Umfragen an, dann oszilliert der Wählerwillen deutlich. Damit ist klar, dass es am Sonntag auch Überraschungen geben kann. Nach der letzten Umfrae der "Diario de Noticias" hat sich die PSD zwar wieder von der PS abgesetzt, doch zuvor hatten die Meinungsforscher für diese Zeitung für beide Parteien eine Pattsituation ermittelt. Demnach hatten beide Parteien jeweils 36 % der Stimmen zu erwarten. Dass die PSD von der absoluten Mehrheit wieder weit entfernt ist und bestenfalls mit der rechten Volkspartei (CDS-PP) regieren könnte, zeigt, dass viele Wähler das Spiel der PSD durchschaut haben. Denn deren Ablehnung des letzten Sparprogramms war nur Wahltaktik. Denn auch die PSD hat für die Nothilfemilliarden inzwischen mit der PS und CDS-PP in den Verhandlungen mit der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) noch tiefere Einschnitte und Sparmaßnahmen abgenickt, als sie mit Socrates' Sparpaket geplant waren. Offensichtlich sind sich viele Wähler nicht sicher darüber, ob sie tatsächlich den Konservativen zutrauen sollen, die Krise besser zu meistern. Auf der anderen Seite ist nämlich ihre Angst, sie könnten noch tiefere Einschnitte für die einfache Bevölkerung beschließen. Dazu kommt aber in Portugal auch, dass die Wahlen durch eine große Zahl von Karteileichen verzerrt sein werden .
Die Portugiesen sollen am Sonntag aber ohnehin nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera haben. Der Souverän, das Volk, soll über das "alternativlose" Nothilfe-Abkommen kaltgestellt werden. Die Möglichkeit, dass eine neue Regierung den harten Sparkurs ablehnt, ist nicht vorgesehen. Die übliche Rosskurs des IWF soll unabhängig davon durchgezogen werden, wer die Wahlen gewinnt. Für den verfassungsrechtlich zweifelhaften Vorgang hat man sich des Tricks bedient, dass auch die Oppositionsparteien in die Ausarbeitung des Notprogramms eingebunden wurden.
Das ist aber falsch, weil die linke Opposition sich den Verhandlungen verweigert hatte. Die Kommunisten (PCP) und der Linksblock (Bloco), die derzeit gemeinsam etwa 20% der Wähler repräsentieren, lehnen die geplanten Maßnahmen der Troika ab. Die Rosskur sieht unter anderem vor, dass das Arbeitslosengeld gekürzt, Überstundenzuschläge gekappt, Löhne im öffentlichen Dienst und Renten eingefroren, der Verwaltungsapparat verkleinert, die Mehrwertsteuer weiter erhöht und die Privatisierung der Staatskonzerne vorangetrieben und Investitionen und Sozialleistungen zusammengestrichen werden.
Anders als es die Umfragen bisher zeigen, könnte die Linke deshalb am Sonntag durchaus für Überraschungen sorgen. Schließlich wächst der Unmut im Land stetig an, wie Generalstreiks und Massendemonstrationen schon gezeigt haben. Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen auf fast 13% gestiegen und geplante Entlassungen im öffentlichen Dienst werden sie genauso weiter anschwellen lassen, wie die Tatsache, das Portugal schon jetzt in die Rezession zurückgespart wurde. Dass damit Steuerausfälle und steigende Soziallasten einhergehen, ist bekannt. So lässt sich die Verschuldung jedenfalls nicht wirkungsvoll einschränken, weshalb auch die Zinslast weiter steigt. All das kann an Griechenland beobachtet werden, wo die Rezeptur den Patienten erledigt. Und auch in Portugal wächst das Bewusstsein darüber, dass die geplanten Maßnahmen das Land eben nur noch tiefer in Rezession und die Misere führen werden.
Die Linke hat derweil vor den Wahlen einen wichtigen Schritt getan, um sich als Alternative darzustellen. Bisher standen sich beide Parteien nahezu unversöhnlich gegenüber, auch wenn sie bei fast 90% der Entscheidungen im Parlament gleich gestimmt haben. Deshalb haben sie inzwischen Gespräche aufgenommen, die nach den Wahlen fortgesetzt werden sollen. So können sich nur die Parteien links der PS als Kräfte präsentieren, die sich gegen die massive Sparpolitik stellen. Anders als die übrigen Parteien wollen PCP und der Bloco das Land nicht noch tiefer in die Rezession, die Verschuldung und Abhängigkeit sparen. Und sie bieten als Alternative eine Umschuldung an. Sie wollen, dass auch die Kreditgeber an einer Entschuldung durch einen teilweisen Forderungsverzicht an der Stabilisierung des Landes beteiligt werden. Das ist letztlich der einzige Weg, an dem man auch in Griechenland nicht vorbeikommen wird, wann man die Länder nicht zu Fässern ohne Boden machen will.