Keine "stabile und dauerhafte Regierung" in Spanien
Der konservative Rajoy fiel wie erwartet bei der Abstimmung im Parlament durch, doch er hofft noch auf den zweiten Wahlgang
Der geschäftsführende spanische Regierungschef Mariano Rajoy hat die Regierungsbildung versucht und ist, wie zu erwarten war, am Mittwoch durchgefallen. Der Konservative hatte in seiner Vorstellung seine Volkspartei (PP) als einzige mögliche und dazu noch "stabile und dauerhafte Regierung" für Spanien dargestellt. Spanien brauche nach acht Monaten "dringlich eine Regierung", sagte er.
Er und seine Partei müssten das Land regieren, "weil es die Spanier so wollen". Das sagte er im Hinblick darauf, dass die PP auch nach der gescheiterten Regierungsbildung im Frühjahr und nach den vorgezogenen Neuwahlen im Juni stärkste Partei ist.
Diverse Redner machten den Konservativen, bevor er bei der Wahl am späten Mittwoch die Stimmenmehrheit verfehlte, auf die Tatsache aufmerksam, dass die PP mit 137 Sitzen weit von einer absoluten Mehrheit entfernt ist. Sie hat zwar inzwischen mit den rechtsliberalen Ciudadanos ein Abkommen geschlossen, doch auch mit deren 32 Sitzen reicht das längst nicht für eine Mehrheit. Obwohl sich zuletzt auch noch die Kanarische Koalition (CC) mit ihrem Sitz sich für Rajoy entschieden hat, fehlen ihm weiter Stimmen. Für Rajoy stimmten 170 Parlamentarier und 180 gegen ihn.
Parteienvertreter machten klar, dass Rajoy keine Mehrheit bekommt, weil er in vier langen Jahren mit einer absoluten Mehrheit autokratisch über alles hinweggewalzt ist und Brücken zu linken und rechten Parteien abgebrochen hat. So sagte der christdemokratische Katalane Francesc Homs, dass Rajoy praktisch angesichts der Mehrheiten auch nicht regieren kann und die Regierungsbildung nur eins von vielen Problemen ist. "Wollen Sie auch für den Haushalt, der Höchstgrenze der Ausgaben und allen Gesetzen stets die Sozialisten um Enthaltung bitten?"
An diese richtete sich Rajoy vor allem. Nur wenn sich alle oder mindestens sechs Sozialisten am Freitag im zweiten Wahlgang enthalten und er dann mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen erhält, könnte er erneute Regierungschef werden. Und in diese Regierung, so erklärte der Ciudadanos-Chef Albert Rivera, will seine Partei nicht eintreten und irgendwie auch Opposition sein. Angeblich wollten sie mit ihrem Pakt der 150 Punkte, der eher an einen Koalitionsvertrag erinnert, nur die Bildung einer Regierung ermöglichen, um einen dritten Wahlgang an Weihnachten zu verhindern.
Man darf gespannt sein, ob Rivera auch dieses Versprechen bricht. Im Wahlkampf hatte er noch erklärt, Rajoy nicht einmal durch Enthaltung zum Regierungschef machen zu wollen, dessen PP angesichts der vielen Korruptionsskandale eine grundlegende Erneuerung benötige, die unter seiner Führung unmöglich sei. Seither hat Rivera Kröte um Kröte geschluckt. Der kann nicht einmal erklären, wie die vereinbarten schwammigen Punkte im Abkommen umgesetzt werden sollen.
PSOE muss ihre Position klären
Klar ist, dass eine neue Rajoy-Regierung das Gegenteil von "stabil oder dauerhaft" wäre, wenn es Rajoy doch an die Regierung schaffen würde, wie auch der Katalane Homs betonte. Er richtete sich deshalb an den Oppositionsführer Pedro Sánchez, der schon am frühen Mittwoch das Nein seiner Partei bestätigt hatte. Denn die Regierungszeit von Rajoy hatte er mit "Einschnitteund immer neue Einschnitte" zusammengefasst.
Er habe alle Versprechen gebrochen und massiv Steuern erhöht und komme nun erneut mit dem Versprechen von Steuersenkungen. "Das Problem ist, dass Ihnen und Ihrer Partei nicht zu trauen ist, die mit dem gesamten Strafgesetz verfolgt wird", sagte Sánchez, weil sie erstmals mit der PP eine gesamte Partei auf die Anklagebank setzen muss.
Auch Sánchez wies darauf hin, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen die "Arbeitsmarktreform", die "Korruption" und die "Amnestie für Steuerhinterzieher" gestimmt haben und deshalb die PP keine absolute Mehrheit mehr hat, sie nicht einmal mit den Ciudadanos regieren kann. "Niemand kann uns dazu bringen, etwas zu unterstützen, das wir verändern wollen", schloss er Enthaltungen seiner Partei am Freitag aus.
Und da Homs angesichts dieser Worte davon ausgehen durfte, dass Rajoy auch im zweiten Wahlgang durchfallen wird, wandte er sich direkt an Sánchez. Der solle danach die Initiative ergreifen und eine Alternative zu bilden. Denn auf diese Möglichkeit hatte die Linkspartei Podemos (Wir können es) und deren Bündnispartner ebenfalls immer wieder hingewiesen. Die Sozialisten (PSOE) und das Bündnis Unidos Podemos (Gemeinsam können wir es) können durchaus auf Unterstützer setzen. Von der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) bis zur christdemokratischen Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) wären Parteien unter Bedingungen bereit, eine Alternative zu bilden oder zu stützen. Sie warnen davor, dass die PP mit den ultranationalistischen Ciudadanos die Zentralisierung des Landes vorantreiben und Autonomie- und Sprachenrechte weiter aushöhlen würde, weshalb dieses Modell für Katalanen und Basken nicht wählbar ist.
Auch der Podemos-Chef Pablo Iglesias forderte Sánchez in seiner Rede erneut auf, die nötigen Kontakte für eine Regierungsbildung aufzunehmen. "Ab Freitag ist es die Aufgabe der PSOE und Unidos Podemos und deren Partner, eine Alternative zu schaffen", zu der Sánchez die Initiative ergreifen müsse. "Wenn Sie das nicht versuchen wollen, erkennenSsie an, erneut Wahlen zu wollen.". Denn es gäbe nur zwei Möglichkeiten, wenn Sánchez tatsächlich keinen dritten Wahlgang am 25. Dezember wolle, sagte Iglesias: "Entweder Sie lassen eine PP-Regierung zu oder suchen ein Abkommen mit uns", sagte Iglesias.