Klimaproteste: Schulstreiks, Waldbesetzung und Kohleblockaden
Dannenröder Wald weiter besetzt, Ende Gelände demonstriert im Rheinland
Ein verlängertes Wochenende der Klimaproteste. Den Auftakt machte schon in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag die Umweltorganisation Greenpeace. Einige ihrer Mitglieder enterten das Dach der Düsseldorfer Staatskanzlei.
Ziel war es mit einer öffentlichkeitswirksamen Aktion auf die ausgesprochene Nähe zwischen der nordrhein-westfälischen Landesregierung und dem Energiekonzern RWE aufmerksam zu machen, der in dem Bundesland eines der weltweit größten Braunkohlereviere und gewaltige Kohlekraftwerke betreibt. "Klima verheizt, Heimat zerstört" stand auf einem großen Banner, das für einige Zeit das Gebäude zierte.
Grüner Autobahnbau
Gestern dann der globale Aktionstag mit Jugend- und Wissenschaftlerprotesten vom Südpol bis zum Nordpol und in rund 150 Ländern und 3200 Städten. In Deutschland beteiligten sich über 200.000 Menschen an rund 450 Orten an den Aktionen. Heute schließlich Tagebaubesetzung von Ende Gelände in Garzweiler II im Rheinland und weitere Auseinandersetzung im Dannenröder Forst, den die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen dem Ausbau der Autobahn A49 opfern will.
Das zuständige Landesumweltministerium in Wiesbaden braucht inzwischen fast eine Woche, um auf eine Telepolis-Anfrage zu antworten. Wir hatten per Email wissen wollen, ob man im Ministerium bestätigen kann, dass die Polizei mit schwerem Gerät ein geschütztes Biotop zerstöre.
Doch offenbar schweigt man sich im Hause der grünen Ministerin Priska Hinz lieber aus. Auch Pressemitteilungen zum Thema verkneift man sich, obwohl schon seit Mitte September die Polizei versucht, die Autobahngegner aus dem Wald zu vertreiben. Ist für die ehemalige Öko-Partei ja auch irgendwie peinlich, die Rodung eines intakten Waldes zeitgleich zu den Klimaschutzdemonstrationen in aller Welt vorzubereiten.
Die Proteste gegen den schwarz-grünen Autobahnbau gingen auch am heutigen Samstag weiter. Am Vormittag zog ein Fahrraddemo auf der A49 zum Dannenröder Forst.
Berichte von Polizeigewalt
Ein paar hundert Kilometer weiter im Westen ziehen derweil die "Finger" genannten Demonstrationszüge von Ende Gelände in Richtung des Tagebaus Garzweiler II und zu anderen Protestbrennpunkten. Lorenz Gösta Beutin, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, ist wie einige andere Abgeordnete als parlamentarischer Beobachter vor Ort und berichtet von unangemessener Polizeigewalt und Verhaftungen.
Auf dem von ihm auf Twitter veröffentlichten Video ist zu sehen, wie Beamte exzessiv Reizgas auf friedliche Demonstranten spritzen, um diese am Vorrücken zu hindern. Auch Schläge mit den berüchtigten Tonfas sind zu sehen. Dabei handelt es sich um spezielle Schlagstöcke, die ohne weiteres Knochenbrechen können.
Ein weiteres, ebenfalls am heutigen Samstag aufgenommene Twitter-Video zeigt, wie Polizisten Hunde auf Demonstranten eines anderen "Finger" hetzen. Die Beamten lassen ihre offensichtlich extrem aggressiven Tiere an vollkommen friedlichen Menschen ohne Maulkorb hochspringen.
Auch von anderen Demozügen twittern die Teilnehmer von Polizeigewalt und der Behinderung angemeldeter Versammlungen. Derweil werden in der Landespolizei NRW fast täglich weitere rassistische Chat-Gruppen und Netzwerke bekannt.
Aus den Dörfern am Rande der Grube Garzweiler II berichten empörte Anwohner, dass das am Tagebaurand gelegene Dorf Keyenburg von der Polizei lahmgelegt und Straßen innerorts vollständig abgesperrt seien. Zum Teil kämen Menschen nicht mehr zu ihren Häusern zurück.
Nach Angaben von Ende Gelände sind über 3000 aktive Klimaschützer seit den Morgenstunden in der Region unterwegs. Genächtigt haben sie in verschiedenen Klimacamps, die wie die Aktionen auch mit ausgeklügelten Hygienekonzepten organisiert wurden.
Das nutzte im Aachener Klimacamp die Polizei für eine massive Einschüchterung aus, in dem sie die Herausgabe einer Teilnehmer- und Adressliste verlangte. Für den Fall der Weigerung hatte man mit Räumung gedroht. Schließlich haben in der Nacht zum Samstag alle ihre Adresse abgegeben und konnten so die Räumung verhindern, wie die Camporganisatorinnen auf Twitter erzählen.
Die Aktionen, heißt es bei Ende Gelände, richten sich nicht nur gegen die Tagebaue, sondern gegen die gesamte Infrastruktur fossiler Energieträger in der Region zwischen Aachen und Köln. Zum Beispiel wurde um die Mittagszeit auch die Baustelle einer Erdgaspipeline besetzt und das Kohlekraftwerk Weißweiler blockiert.
Auch der der Keyenberger Gasthof, der sich im Eigentum von RWE befindet, bekam Besuch.
"Wir feiern heute die Wiedereröffnung des Keyenberger Gasthofs! Er gehört seit ein paar Monaten RWE und seitdem verfällt er. RWE versucht gezielt, soziale Orte zuerst zu vernichten und die Dorfgemeinschaften zu spalten. Dieser Gasthof steht symbolisch dafür, wie hier das ganze Leben zerstört werden soll. Wir werden ihn heute wiederbeleben!"
Erklärung von Ende Gelände