104 Verdachtsfälle bei NRW-Polizei
"Problem unterschätzt": Innenminister Reul schreibt eine Mail an Polizisten, getan hat sich aber wenig
Im Innenausschuss des NRW-Landtages gab es am gestrigen Donnerstag nochmal erstaunte Gesichter. Nicht nur ist ein weiterer Beamter des Polizeipräsidiums Essen vom Dienst suspendiert worden, nachdem in der Vorwoche bereits ein Netzwerk von rechten Chatgruppen aufgeflogen war und 30 Kollegen ins Visier gerieten; auch der Essener Dienstgruppenleiter war Teilnehmer solcher Chats.
Jetzt müssen die nordrhein-westfälischen Behörden weiteren 16 Hinweisen nachgehen, die auf rechtsradikale oder rassistische Äußerungen in den Reihen der Polizei deuten. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) spricht in Düsseldorf davon, das Problem "unterschätzt" zu haben.
Aktiv rechts: Die Netcops
So seien aktuell fünf Polizisten mit rechtsgerichteten Äußerungen in dem Internetforum "net4cops" aufgefallen; nach vorläufiger Einschätzung zumindest "disziplinarrechtlich relevant". Die Gruppe agiert bundesweit; fünf Kollegen aus NRW hätten, so Reul, mitgechattet.
Ein beachtliches Kontingent - 150 Beamte - geht derweil den Verdachtsmomenten gegen die eigenen Kollegen nach. Die Ermittlungsgruppe hat den Namen "Parabel"; das klingt vieldeutig, kann aber auch mit "Lehrstück" übersetzt werden. Hoffentlich, mag man hinzufügen.
Allerdings ein reichlich verspätetes Lehr- und Lernstück.
Schleppende Aufklärung
Wie der Innenminister jedenfalls bekannt gibt, sind in NRW seit 2017 insgesamt 100 Mitarbeiter unter den Verdacht des Rassismus oder Rechtsextremismus geraten. Dazu kommen vier Fälle im Innenministerium. Von den anhängigen Verfahren sind 71 nicht abgeschlossen. Das mutet zumindest sonderbar an.
Reul hat in der Sache derweil nach eigenen Angaben eine E-Mail an alle 56.000 Beschäftigten der NRW-Polizei geschrieben, um zu unterstreichen, was gar nicht geht bei der Polizei. "Ich möchte jetzt und möglichst schnell zu Veränderungen kommen", so sein Statement im Innenausschuss am Donnerstag.
Man darf gespannt sein.