König der Chef spanischer Putschisten?
Für Ministerpräsident Suárez stand der König hinter den dramatischen Vorgängen 1981, mit denen der Monarch zum "Retter der Demokratie" gemacht wurde
Bisweilen dauert es Jahrzehnte, bis historische Ereignisse ins rechte Licht gerückt werden. Im Rahmen der Staatstrauer um den spanischen Regierungschef Adolfo Suárez wird der letzte Putsch in Spanien beleuchtet. Kurz vor dem Staatsgottesdienst, der am Montag im Rahmen der Trauerfeiern um den kürzlich verstorbenen Suárez am Montag in Madrid stattfand, gab es brisante Veröffentlichungen. Und die bestärken die Hinweise darauf, dass König Juan Carlos de Borbón im Zentrum der Vorgänge stand, die am 23. Februar 1981 dazu führten, dass die paramilitärische Guardia Civil das Parlament in Madrid stürmte und Militärs mit Panzern die Hafenstadt Valencia besetzten.
Im Interview gab die spanische Journalistin Pilar Urbano nun schon einmal einige Hinweise auf den Inhalt ihres neuen Buches, das die ohnehin wegen Korruption schwer angeschlagene Monarchie weiter in Mitleidenschaft ziehen wird. "Die große Vergesslichkeit" heißt es. Es wird den Untertitel tragen: "Was Suárez vergessen hat und der König nicht mehr erinnern will." Damit spielt sie auf die Alzheimer-Krankheit des ehemaligen Regierungschefs an.
Urbano sagte im Interview mit El Mundo: "Für Suárez war mehr als klar, dass die Operation vom König ausging und in der Zarzuela (Königspalast) geboren wurde." Sie zitiert aus einer heftigen verbalen Konfrontation, die Suárez mit dem König am Tag nach dem Putsch gehabt habe. "Du hast uns reingelegt", habe er dem Monarchen gesagt. Suárez beschuldigte Juan Carlos, den Kopf der Putschisten, General Armada, und andere angespornt zu haben. "Du hast den Unmut im Militär geschürt. Diese Situation hast du provoziert."
Der König habe heftig regiert und den früheren Ministerpräsidenten einen "miesen Dreckskerl" genannt. Der habe gefordert, seinen Rücktritt drei Wochen zuvor rückgängig zu machen, denn er wolle nun "das Militär säubern", dessen Chef der König in Spanien nach dem Willen des früheren Diktators Franco ist. Franco hatte die Monarchie wieder eingesetzt und Juan Carlos eigens zu seinem Nachfolger bestimmt. "Du traust dich so mit mir zu reden?", habe der König gefragt. "Du hast nicht begriffen, dass du weggeputscht wurdest?"
Diese Version deckt sich damit, dass auch der damalige deutsche Botschafter in Madrid erstaunt darüber war, dass der König in einem Gespräch kurz nach dem Putsch "weder Abscheu noch Empörung" erkennen ließ, sondern "vielmehr Verständnis, wenn nicht gar Sympathie" für die Putschisten zeigte. Das schrieb Lothar Lahn zur Haltung des Königs in einer Depesche an die sozialdemokratische Regierung unter Helmut Schmidt, die von Wikileaks veröffentlicht wurde. Der Monarch habe sich wohlwollend geäußert, weil "die Aufrührer nur das gewollt hätten, was wir alle erstrebten, nämlich Wiederherstellung von Disziplin, Ordnung, Sicherheit und Ruhe".
Wie auch die Journalistin in dem Buch sagt, hatte Juan Carlos gegenüber Lahn versucht, Suárez für die Vorgänge verantwortlich zu machen. Dabei war der erste gewählte Ministerpräsident drei Wochen zuvor zurückgetreten und hatte ganz offensichtlich nichts mit den Putschisten zu tun. Zwar gehörte auch er als Falangist zur alten Franco-Garde. Er war 1958 ins Generalsekretariat der "Nationalen Bewegung" aufgestiegen und später auch Staatssekretär in der Diktatur. Doch Suárez setzte offenbar auf einen realen Bruch und dem standen und stehen viele im postfaschistischen Spanien noch immer entgegen, weshalb er eine Gefahr darstellte.
Urbano und die Depesche des Botschafters bestätigen weitgehend die Version, die auch der Ex-General Armada später verbreitet hat: "Alles geschah im Dienste der Monarchie." Ohnehin war er die rechte Hand des Königs. Auch nach seiner Verhaftung blieb er ihm gegenüber loyal. Er bat Juan Carlos in einem Brief sogar um die Erlaubnis, "für die Ehre meiner Kinder und meiner Familie" vor Gericht den "Inhalt unseres Gesprächs" verwenden zu dürfen. Später erklärte Armada im Jahr 2001 im spanischen Fernsehen, der Putsch habe triumphiert.
Denn es sei nie darum gegangen, die Macht wieder zu übernehmen, sondern Spanien solle wieder zurück auf den richtigen Weg gebracht werden. Es sei darum gegangen, die Monarchie zu festigen, die schließlich den Makel aufwies, vom Diktator restauriert worden zu sein. Und so drängt sich immer stärker der Eindruck auf, dass es sich um eine großangelegte Inszenierung handelte, wie sie etwa in Wikipedia Eingang gefunden hat: "Mit dem entschlossenen Auftreten des Königs als Oberbefehlshaber der Armee, der sich im Rahmen einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache eindeutig für die Demokratie aussprach und das Militär auf seine Seite zog, konnte der Staatsstreich noch in der Nacht vereitelt werden."
Es gab stets Hinweise darauf, dass der letzte Putsch in Europa nur inoffiziell scheiterte und real alle seine Ziele erreichte. Denn es gab immer Thesen, dass es vor allem darum ging, die Sozialisten (PSOE) angesichts des sich abzeichnenden Wahlsiegs bei den Wahlen 1982 einzuschüchtern, um sie von wirklichen Reformen abzuhalten. Das galt dafür, dass sich Anhänger der Diktatur bis heute nicht vom Putsch 1936 und den Morden distanzieren mussten. Es gab keine Säuberungen in der Guardia Civil, den Geheimdiensten und im Militär. Die Verbrechen der Diktatur wurden amnestiert.