Kohleausstieg: "Es fehlt am politischen Willen"
Klimaziel für 2020 ließe sich erreichen, wenn alte Braunkohlekraftwerke stillgelegt würden. Auch für 2030er Ziel muss sich mehr ins Zeug gelegt werden
Deutschlands Klimaziel für 2020, von der Bundesregierung längst aufgegeben, könnte noch erreicht werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace erstellt hat.
Würden die ältesten Braunkohle-Blöcke abgeschaltet, Wind- und Solarkraft wie im Koalitionsvertrag vereinbart ausgebaut und ältere Braunkohlekraftwerke in ihrer Leistung leicht gedrosselt, so ließen sich die hiesigen CO2-Emissionen noch bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 absenken.
2017 wurden 905 Millionen Tonnen CO2 und CO2-Äquivalente (andere Treibhausgase, die ihrer Wirkung entsprechend in CO2 umgerechnet werden) emittiert. Das Ziel für 2020 entspricht 751 Millionen Tonnen jährlicher Emissionen, für 2030 lautet das Ziel 563 Millionen Tonnen per annum.
"Wenn die Bundesregierung ihr Klimaziel ohne Not aufgibt, torpediert sie jeden internationalen Ehrgeiz, den Planeten zu kühlen. Deutschland kann 2020 wie versprochen 40 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen und dabei die Versorgung sicherstellen. Nicht die technischen Möglichkeiten fehlen, sondern allein der politische Wille. (…)
Der diesjährige Hitzesommer mit Dürre, Waldbränden und Starkregen zeigt, wie empfindlich die Natur auf die Erderhitzung reagiert. Jedes Jahr, das reiche Länder wie Deutschland den nötigen Kohleausstieg verzögern, steigert die wirtschaftlichen Schäden des Klimawandels - auch in Deutschland. Die Bundesregierung sollte unseren Plan daher prüfen – und zügig umsetzen."
Anike Peters, Energieexpertin bei Greenpeace Deutschland
Die Strombranche, darauf weist auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hin, ist ein Schlüsselsektor, wenn es um die Minderung der Treibhausgasemissionen geht. Denn noch immer kommt viel Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken. 2017 betrug der Anteil der Braun- und Steinkohlekraftwerke an der Netto-Stromproduktion öffentlicher Kraftwerke knapp 40 Prozent. Hinzu kam noch ein erheblicher Eigenverbrauch. Entsprechend ist der Stromsektor für rund 35 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Greenpeace fordert daher, bis 2030 alle Stein- und Braunkohlekraftwerke stillzulegen. Bis 2020 müssten, um das 40-Prozent-Ziel noch zu erreichen, ein Sechstel der deutschen Kohlekraftwerks-Kapazität stillgelegt werden. Regional ausgewogen werden dafür die Standorte Niederaußem und Weisweiler in Nordrhein-Westfalen und ostdeutsche Kraftwerke wie Boxberg und Jänschwalde vorgeschlagen.
Unterdessen mahnt das DIW angesichts der demnächst stattfindenden Tagung der Kohlekommission, dass auch das Ziel für 2030 (minus 55 Prozent gemessen am 1990er Niveau) nur mit zusätzlichen Maßnahmen zu erreichen ist.
Modellrechnungen hätten ergeben, dass das Ziel nicht zu erreichen sei, wenn alle Kraftwerke bis ans Ende ihrer technischen Lebenszeit weiterlaufen. Vielmehr müssten die Laufzeiten begrenzt und der Ausbau der erneuerbaren Energieträger zügig voran getrieben werden.
Die Berechnungen des DIW legen nah, den Ausstieg insbesondere bei den Braunkohlekraftwerken voranzutreiben. Da diese pro erzeugter Kilowattstunde die meisten Treibhausgase emittieren, verspricht das die schnellsten Verbesserungen.
Nach Einschätzung des DIW kann es bei einem raschen deutschen Ausstieg aus der Kohle keine nennenswerten Verlagerungen der Emissionen ins Ausland geben. Die polnischen Kohle- und französischen Atomkraftwerke seien schon jetzt ausgelastet. Im Gegenteil: Da bei einem deutschen Ausstieg kein günstiger Kohlestrom mehr von hier bezogen werden könne, würden die Anreize für einen Ausbau der erneuerbaren Energieträger auch in den Nachbarländern steigen.