Kohlekommission: Opposition unerwünscht

Kohlekraftwerk Werdohl-Elverlingsen

(Bild:  Dr.G.Schmitz / CC BY-SA 3.0 )

Und zu viel Klimaschutz auch. Regierungsparteien wollen Kohlezeitplan möglichst ungestört aushandeln und werden beim Klimaschutz vermutlich weiter auf die Bremse treten

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Die SPD, so ein Bericht des Handelsblattes, will in der Kohlekommission nur Vertreter der Regierungsparteien sitzen haben. Eingeladen werden nach ihren Vorstellungen auch die Industrie und Gewerkschafter, aber offenbar keine Abgeordneten der Opposition. Im Koalitionsvertrag hatten sich die Unionsparteien mit den Sozialdemokraten darauf geeinigt, dass die zu bildende Kommission für "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" noch in diesem Jahr einen Zeitplan für den Ausstieg aus der Kohle erarbeiten soll.

Dabei möchte man sich offenbar nicht gerne von Leuten rein reden lassen, die auf einen schnellen Ausstieg im Interesse des Klimas drängen. Immerhin ist die Energiewirtschaft – ganz überwiegend durch ihre Kohlekraftwerke – noch immer für gut die Hälfte der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der als Merkel-Vertrauter vermutlich die Fäden in der Kommission in der Hand haben wird, hatte sich kürzlich in Berlin, wie berichtet, dafür ausgesprochen, den Kohlestrom bis 2030 (lediglich) zu halbieren. Dabei ließ er allerdings offen, von welchem Basis-Jahr er ausgeht. Nehmen wir wohlwollend an, der Minister hat das Jahr 2017 gemeint.

Nach den Daten des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme wurden 2017 133,98 Milliarden Kilowattstunden in Braunkohlekraftwerken erzeugt und 81,74 Milliarden Kilowattstunden in Steinkohlekraftwerken. Gegenüber dem zeitweiligen Höchststand 2013 war das ein Rückgang um sieben beziehungsweise 26 Prozent, aber das nur am Rande. (Die Werte beziehen sich jeweils nur auf die Kraftwerke, die ins öffentliche Netz einspeisen.)

Im Interesse des Klimaschutzes müsste es unbedingt schneller gehen

Altmaier will also 2030 noch mindestens 107,86 Milliarden Kilowattstunden mit Kohlekraftwerken erzeugen lassen. Was hieße das für den Ausbau der erneuerbaren Energieträger? Zum einen passen die trägen Braunkohlekraftwerke schon jetzt nicht mehr zu einer Energieerzeugung, die immer mehr von den unregelmäßig oder nur tagsüber einspeisenden Solar- und Windkraftanlagen dominiert werden. Diese Probleme würden sich sicherlich deutlich verschärfen.

Zum anderen würde der Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke den Ausbau weiter auf das gedrosselte Tempo der letzten Jahre beschränken, obwohl insbesondere – aber nicht nur – die Solaranlagen immer billiger werden. Der Anteil von Sonne, Wind & Co. an der jährlichen Nettostromerzeugung öffentlicher Kraftwerke würde – vorausgesetzt, der Stromverbrauch und der (viel zu hohe) Stromexport blieben gleich, der Gasanteil niedrig und die AKW werden auch wirklich stillgelegt – von derzeit 38,2 auf 70,7 Prozent steigen.

Das hört sich nach viel an, aber im Interesse des Klimaschutzes müsste es unbedingt schneller gehen. Und es könnte auch: Deutschland hat zu Zeiten, als der Solarstrom aus den seinerzeit neuen Anlagen noch rund das Vier- bis Achtfache des heutigen Preises kostete, jährlich über sieben Gigawatt neuer Solaranlagen installiert – und damit einige Zehntausend Arbeitsplätze im Handwerk geschaffen, die später durch die Ausbaudrosselung wieder verloren gingen.

Deshalb ist eigentlich nicht einzusehen, weshalb der Ausbau in den nächsten Jahren weiter durch Ausschreibungsregime und anderen Auflagen behindert werden sollte, wenn der Strom aus Neuanlagen offensichtlich schon für weniger als fünf Cent pro Kilowattstunde zu erzeugen ist, wie die jüngste Auschreibungsrunde im Februar 2018 gezeigt hat. Würde das einstige Ausbautempo wieder aufgenommen und nur ein klein wenig draufgesattelt, dann könnte bis 2030 100 Prozent des Stroms von den erneuerbaren Energieträgern geliefert werden.

Nötig wäre natürlich außerdem, dass bei der Anpassung der Netze und bei den Speichertechnologien ein wenig in die Hände gespuckt wird. Damit könnte man auch ganz nebenbei etwas für die Binnenkonjunktur und die Wirtschaftsförderung im ländlichen Raum tun, anstatt weiter mit extremen Rekordüberschüssen die Weltwirtschaft zu destabilisieren und Krisen anzuheizen.