"Krieg" um das spanische Atomlager erklärt
Die Regionalregierung in Kastilien-La Mancha blockiert das geplante Lager durch Ausweitung eines Naturschutzgebiets
Der neue sozialdemokratische Regierungschef der spanischen Region Kastilien – La Mancha meint es seiner Ablehnung des geplanten "Zentralen Atomaren Zwischenlagers" (ATC) ernst. Emiliano García‑Page hat beschlossen, ein Naturschutzgebiet im Bereich des Dorfs Villar de Cañas deutlich auf 25000 Hektar auszuweiten. Damit umfasst das Gebiet, das zum europäischen Netzwerk Natura 2000 gehört, auch das Gelände, auf dem das ATC gebaut werden soll.
Die Regionalregierung sei in den "Krieg um das Atomlager" eingetreten, schreibt El País am Mittwoch, weil das Projekt damit blockiert ist. Das war die Reaktion von García‑Page darauf, dass die Zentralregierung nun mit Vollgas vor den Parlamentswahlen im Herbst noch versucht, die nächste ATC-Baustufe auf den Weg zu bringen.
Dabei hatte Madrid den Weiterbau im Frühjahr noch verhindert. Das Industrieministerium sprach von "gesundem Menschenverstand", um nicht weiter viel Geld unsinnig zu verbauen. Denn der Standort ist höchst unsicher, wo oberirdisch etwa 6.700 Tonnen hoch radioaktiver Müll aus Atomkraftwerken für 60 Jahre sicher gelagert werden sollen. Das hatten auch Gutachten gezeigt, die unter Verschluss gehalten worden waren.
Orte gäbe es genügend. gerade dieser wird aber als ungeeignet eingestuft
Wie zuletzt erwartet, hat aber die von der konservativen Zentralregierung beherrschte Atomsicherheitsbehörde CSN das Projekt grundsätzlich unter Auflagen genehmigt, obwohl Geologen der Behörde, das von unterirdischen Quellen geprägte Gelände für wenig geeignet halten. Der CSN-Rat nickte es ab, obwohl eine neue "geotechnische Untersuchung" gerade erst in Auftrag gegeben und auch erst damit begonnen wurde, ein Gutachten zur hydrologischen Situation eines Gebiets zu erstellen, das immer wieder überflutet wird. Ohnehin sollte man annehmen, dass solche Gutachten schon vorliegen, bevor ein solch heikles Projekt gestartet wird. Man fragt sich auch, auf welcher Grundlage der Kontrollrat die "Auflagen und Bedingungen" für den Weiterbau definiert hat.
Die Zentralregierung müsste nun nach Angaben von Experten das Projekt zum "nationalen Interesse" deklarieren. Doch nach europäischer Gesetzgebung muss es sich bei solchen Vogelschutzgebieten um ein "zwingendes öffentliches Interesse" handeln. Nur dann könne in Natura-2000-Schutzgebiete eingegriffen werden. Und das gehe nur, wenn es dafür keinen anderen geeigneten Ort gäbe. Doch Orte gibt es genügend. Gerade dieser wird aber als ungeeignet eingestuft. Die Entscheidung für Villar de Cañas fiel vor allem aus politischen Erwägungen. Es wurde stets die "lokale Zustimmung" hervorgehoben. Der konservative Bürgermeister hatte für die "Millioneninvestition" und mit Arbeitsplätzen geworben und auch die abgewählte Regionalregierung stand dahinter.
Diese Zustimmung ist seit Mai weg. Und die von der Empörten-Partei "Podemos" (Wir können es) abhängige Regionalregierung will nun ihr Wahlversprechen einhalten. Mit fast allen Parteien der Region hatte auch die PSOE versprochen, das Projekt zu stoppen, dessen Kosten schon bei der Fundamentierung durch die Decke geschossen sind. Die neuen Auflagen, so wird geschätzt, dürften es um weitere 300 Millionen Euro auf mindestens 1,2 Milliarden Euro verteuern. Und dabei bleibt fraglich, ob es jemals genutzt werden kann.
Das Land, das an allen Ecken und Enden sparen muss, sei nicht in der Lage, so viel Geld möglicherweise unsinnig zu verschwenden. Zudem hatte der Rechnungshof schon im Frühjahr gewarnt, dass sogar die bisherige Finanzierung des ATC zu 28% nicht gedeckt sei. Im Fonds der Atomkraftwerksbetreiber klafft ein Milliardenloch, weshalb die Prüfer davon ausgehen, dass letztlich wieder der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird.
Die Sozialdemokraten wollen mit der Frage des ATC vor den Parlamentswahlen im Herbst in dieser Frage Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Denn auch in der Atomfrage hatte ihr Ansehen schwer gelitten. Statt des versprochenen Ausstiegs aus der Atomkraft hatte die PSOE, als sie bis 2011 an der Regierung war, sogar die Laufzeit des Uraltreaktors über die Grenze von 40 Jahre hinaus verlängert.