Künstliche Ironie bei Kleidung

Amazon kleidet uns jetzt mittels KI ein. Könnte schief gehen.

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"Schatz, ich weiß gar nicht, was Du hast. Die Hose und die Jacke mit dem kleinen Tiger hinten drauf stehen Dir doch wun-der-bar. Ja, auch der Tiger auf der Hose..."

Wir kennen zum Teil diese Konversation noch. Man selbst in einer Umkleidekabine, aus der man sich nicht mehr heraus traut. Der Partner draussen davor, fachmännisch am Beraten für das neue Kleidungsstück. Vielleicht nicht ganz bei der Sache, das dicke Grinsen kaum unterdrückt. Das will man eigentlich nicht mehr haben, nein.

Kein Wunder, dass man das nicht mehr erleben will, es ist ja doch ein wenig beschämend, nicht nur wenn man keine Tigerchen mag. Aber Amazon denkt natürlich mit und bietet uns jetzt einen KI basierten Service, der uns Kleidung virtuell anprobieren lässt. Das ist schon mal gut, dann fällt auch das blöde Rumstehen in Unterwäsche mitten in einer Umkleidekabine weg.

Das Virtual Try on Paper ist natürlich noch nicht marktreif, da wird mit der Hilfe von Alexa und anderen feinen, leckeren Sachen, die Amazon in den letzten Jahren entwickelt hat, noch ein wenig gebastelt, aber klar ist schon, was da auf uns zukommen soll: eine virtuelle vor-der-Kabine-Grinsemama, die uns die Sachen nicht nur anprobieren lässt, sondern sie auch vorschlägt. Ich sag nur: Tigerchen.

Kann mir jetzt schon vorstellen, dass wir im Laufe der Markteinführung dann begreifen werden, wie stark "AI" auch für "Artificial Irony" stehen kann. Spätestens dann, wenn uns der Algorithmus nahelegt, dass ein formschöner Gummieimer auf dem Kopf manchmal extrem gut zu einer tight anliegenden Skinny Jeans passen könnte. Der Umwelt zuliebe. Ich glaube ja, dass Amazon auch nur menschlich ist und einen gewissen Humor bei der Auswahl von Leggins für über 40-Jährige und Streetware für Rentner an den Tag legen wird.

Eine Maschine hat ja auch ihren Stolz. Schon aus reiner Notwehr.

Kann man nachvollziehen. Wer von uns würde schon gerne speckigen Amazonkunden den ganzen Tag etwas auf den Leib schneidern wollen, das beim besten Willen einfach nicht gut am Körper aussehen will, nur weil gerade modisch angesagt ist... eben. Da kann Humor helfen.

Aber ich denke mal, die Kollegen von Apple haben schon eine Art von Auffangprozess entworfen, denn wenn man sich dann doch mit den AI gewählten Tigerchen in die Öffentlichkeit wagen sollte und auf die ersten Zeitgenossen trifft, dann haben die ja eine Apple Watch an. Und die ruft automatisch den Notarzt, wenn Letzgenannte dann wehrlich röchelnd am Boden liegen und versuchen, sich ihren Augenkrebs aus dem Gesicht zu reiben.

Maschinen helfen einander. So viel ist schon einmal klar.