Marketing machen statt blocken?

Neben der Spur

500.000 Twitter-Accounts sind 2016 geblockt worden. Terrorismus beginnt bei den Bots. Wäre statt Löschen ein wenig Marketing die Lösung?

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Alle möglichen Emojis kommen auch 2017 wieder auf den Markt, und sei dass sie eine Giraffe, eine Brezel oder Elfenwesen darstellen: etwas fehlt einfach. Ein Trump-Haarteil? Könnte man machen, so ähnlich vielleicht wie die BBC das berichtet, aber nein, Trump spielt rein icontechnisch bisher keine Rolle. Schließlich hat ja auch ein Emoji so seinen Stolz.

Was irgendwie zu fehlen scheint, ist der klassische IS-Attentäter und Terrorist, von dem jeder spricht. Es muss ja nicht gerade einer mit einer Sprengstoffweste um sein, aber ein böse kuckendes Gesicht, das via Tastatur etwas in Twitter von sich gibt – auch wenn das irgendwie an Donald Trump erinnert –, könnte schon auf die richtige Spur führen. Bisher: Fehlanzeige, kommt vielleicht noch.

Bis dahin sind die Übelburschen auf anderen digitalen Kanälen aktiv, glaubt man dem Transparent Report von Twitter für 2016, dann sind sie wie die Ameisen unterwegs und irgendwie schier nicht mehr aus der Wohnung zu kriegen. Knapp 630.000 Accounts hat man von 2015 bis 2016 geblockt. Und die Zahl der Removal Requests stieg im zweiten Halbjahr 2016 stetig.

Was man sich darunter vorzustellen hat: Offizielle Stellen, also Regierungen eines Landes, bitten Twitter darum, Accounts zu sperren und deren Inhalte vom Netz zu nehmen. Grund dazu sind terroristische oder rechtsradikale Äusserungen. 322mal ist das zum Beispiel in Deutschland passiert. Und 121mal wurde dann der Account auch gesperrt. Twitter ist also nicht immer der Meinung, dass jede Anzeige auch gleich zu einer Sperrung führen muss. Und die anderen 600.000 Gelöschten oder Blockierten sind wohl die Bots, die fröhlich und fleißig vor sich hin twittern, bis es schon die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass dahinter Transistoren, aber keine Hirnzellen stecken.

Jetzt könnte man sagen: Der Zuwachs and Requests hat vielleicht damit zu tun, dass Regierungen und Gerichte vermehrt auf Twitter aufmerksam werden und deshalb mehr Anträge auf De-Twitterung stellen. Aber dem ist wohl nur zum Teil so. Dreckszeug auf Twitter hat ein gewisses Marktwachstum zu verzeichnen. Und da kommt man wohl nur mit vermehrtem Abschalten dagegen an.

Oder klingelt es bei "Markt" noch mit einem anderen Glöckchen im Schädel? Richtig. Es gibt ja noch Marketing. Und es gibt dufte neue Tools, die mittels AI ausgebuffte Customer-Engagement-Strategien entwickeln. Der modern aufgestellte Marketingmanager begreift die digitalen Dreckschleudern als potentielle Kunden für Antiagressionsprodukte, Trainings und Wellness-Wochenenden, setzt daher eine Engagement-Kampagne für genau diese nicht von Bots erzeugten Vollpfostenbrabbler auf. So findet sich plötzlich eine Menge direkt an Sie gerichtete Vorschläge für eine heilsame Thalasso-Massage in der Inbox. Oder für ein Intensiv-Wochenende "Ich bin OK, Du bist OK". Ein riesiger Markt macht sich da auf, der selbst bei 4-5% Customer-Engagement schon ordentlich neue Wachstumspotentiale erzeugen kann.

Mag sein, dass Hassprediger irgendwann irritiert ihr Posting einstellen, wenn sie gratis Schmusekarnickel angeboten bekommen. Auch ein Islamist oder Neonazi hat schließlich seinen Stolz. Aber vermutlich greift die Idee ein wenig zu kurz und kann nur als blauäugig abgetan werden. Was schon bei Angeboten für Haarwuchsmittel auf Facebook nicht funktioniert, löst bei Kämpfern für irgendeine verschrobene Sache wohl auch eher den Drang aus, die Yogagruppe in die Luft zu jagen.

Schade. Dann doch löschen.