Meeresspiegel steigt schneller

Der IPCC oder Weltklimarat hat am Freitag den ersten Teil seines neuen Sachstandberichts vorgelegt. Das Bild vom Klimawandel und seinen Ursachen wird immer klarer

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In der schwedischen Hauptstadt Stockholm hat heute der so genannte Weltklimarat (IPCC) den ersten Teil seines neuen Sachstandberichts veröffentlicht. Wenig überraschend kommt er unter anderem zu dem Schluss, dass der Meeresspiegel schneller ansteigen wird, als im letzten Bericht vor sechs Jahren angenommen. Bis zum Ende des Jahrhunderts könne er, je nach dem wie viel Treibhausgase in den nächsten Jahrzehnten noch ausgestoßen werden, um bis 98 Zentimeter über das Niveau der 1990er Jahre steigen. (Gemeint ist übrigens immer der globale Mittelwert. Regional wird der Anstieg aus verschiedenen Gründen sehr unterschiedlich ausfallen.)

Im Vierten Sachstandbericht, der 2007 veröffentlicht wurde, war noch von maximal 59 Zentimetern die Rede gewesen. Schon damals hatte es allerdings von einigen Wissenschaftlern Kritik an dieser Aussage gegeben. Sie basierte nämlich auf der – in einer Fußnote versteckten – Annahme, dass sich der Eisverlust der großen Schilde auf Grönland und in der Antarktis nicht weiter beschleunigen wird. Das war allerdings schon vor sechs Jahren eher unwahrscheinlich und ist inzwischen vollkommen unhaltbar.

Der neue Bericht macht erneut klar, dass der Meeresspiegel nach dem Ende des Jahrhunderts noch lange weiter ansteigen wird. Unter anderem verweist er darauf, dass der globale Meeresspiegel während der letzten Warmzeit vor 129.000 bis 116.000 Jahren um mindestens fünf bis maximal zehn Meter höher gewesen ist. Die Temperaturen sind zu jener Zeit über mehrere Tausend Jahre im Mittel mindestnes zwei Grad höher als derzeit gewesen. Wenn allerdings die Treibhausgase in der Atmosphäre weiter wie bisher zunehmen, dann werden entsprechende Temperaturen und höhere noch in diesem Jahrhundert erreicht.

Die Frage ist also unter anderem, wie schnell der Meeresspiegelanstieg vor sich gehen wird. In diesem Zusammenhang ist die Stabilität der Eisschilde besonders wichtig. Für Grönland enthält die Zusammenfassung für Entscheidungsträger die Aussage, dass es mit ziemlicher Sicherheit einen Schwellenwert der globalen Temperatur gibt, hinter dem das Eisschild dort nahezu vollständig verschwinden wird. Wo dieser Wert genau liegt, ist offen. Vermutlich wird das irgendwo zwischen einem und vier Grad über dem vorindustriellen Niveau sein. (Die Jahre 2003 bis 2012 waren bereits im Mittel um 0,78 Grad wärmer als die Jahre 1850 bsi 1900, das heißt, es gibt die – geringe, wie der Bericht betont – Wahrscheinlichkeit, dass der Schwellwert bereits fast erreicht sein könnte.)

Ansonsten lässt der Bericht keinen Zweifel daran, dass sich das Klimasystem weiter erwärmt, wobei der größte Teil der aufgenommenen Energie in den Ozeanen verschwindet. Aber auch die unteren Schichten der Atmosphäre werden wärmer. Jedes der zurückliegenden Jahrzehnte sei wärmer als das vorhergehende und wärmer als irgendein anderes Jahrzehnt seit 1850 gewesen. Auf der Nordhemisphäre seien die Jahre 1983 bis 2012 wahrscheinlich die wärmste 30-Jahres-Periode der letzten 1400 Jahre gewesen.

Auch an der Ursache gibt es keinen Zweifel: Der Hauptverursacher sei das Kohlendioxid (CO2), dessen Konzentration in der Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung um rund 40 Prozent angestiegen sei und heute das höchste Niveau seit mindestens 800.000 Jahren habe.

Weltklimarat ist die saloppe Bezeichnung für den Zwischenstaatlichen Ausschuss für Fragen des Klimawandels (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC). Formal handelt es sich um eine internationale Organisation, der so ziemlich alle Staaten (195 Mitglieder) angehören. Die Regierungen schlagen Autoren vor und wählen einen Vorstand, der schließlich die Autoren aussucht. Aufgabe ist es, in drei verschiedenen Arbeitsgruppen in größeren Abständen jeweils den aktuellen Kenntnisstand der Wissenschaften zusammenzufassen.

Der erste Teilbericht wird, wie diese Woche geschehen, traditionell von der Arbeitsgruppe I vorgelegt, die sich mit den physikalischen Grundlagen des Klimasystems beschäftigt. Der Entwurf des eigentlichen, mehrere hundert Seiten umfassenden Berichts wird erst am Montag im Netz veröffentlicht. Seine endgültig editierte Fassung folgt im Januar. Am Freitag wurde die einige Dutzend Seiten starke Zusammenfassung für Entscheidungsträger veröffentlicht. Dieser und nur dieser Text wird von den Regierungsvertretern abgestimmt. In den letzten Tagen hatten diese auf einer Sitzung in Stockholm die Gelegenheit, ihre Änderungswünsche anzubringen. Das letzte Wort bei der Formulierung haben allerdings immer die Wissenschaftler.

Am Montag folgt ein ausführlicher Beitrag zum Thema.