Milliardenbetrug an Bankkunden beendet

Der Oberste Gerichtshof in Spanien hebt eine Zinsklausel auf, die illegal Milliarden in die Kassen spülte

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Der Oberste Gerichtshof in Spanien sorgte am späten Mittwoch für Erleichterung bei zahllosen Kreditnehmern. Drei Kreditinstitute, darunter auch die große BBVA-Bank, hatten eine Klärung über ein Urteil verlangt, dass schon Anfang Mai gefallen war. Allen Banken wurde noch einmal deutlich vom Gericht erklärt, dass eine Kreditklausel in fast allen Fällen illegal ist und aufgehoben werden muss. In Spanien, wie vielleicht schon bekannt ist, wurden Hypothekenkredite meist mit variablen Zinsen vergeben und das Risiko schwankender Zinsen fast vollständig auf die Kreditnehmer abgewälzt. Die Zinssätze werden halbjährlich oder jährlich angepasst, womit sie für die Verbraucher unkalkulierbar sind.

Nach unten waren die Zinsen nicht vollständig variabel. Viele Banken hatten nach unten ein Zinslimit (Boden) eingezogen. Fiel der anzuwendende Zinssatz darunter, sank die Zinslast für die Verbraucher nicht weiter. Das bescherte Banken seit Anfang 2009 enorme Zusatzgewinne. Nach dem Urteil müssen die Zinsen nun auch nach unten voll an den Interbanken-Zinssatz Euribor angepasst werden. Da der Euribor sich wie der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) schon lange im Bereich von 0,5% befindet, müssen allein die Zinsen von mehr als 420.000 Kunden der BBVA um durchschnittlich fast 2 Prozentpunkte gesenkt werden. Für Verbraucher macht das eine jährliche Zinsersparnis um durchschnittlich etwa 1000 Euro aus.

Für viele Familien im krisengeschüttelten Land ist das eine Erleichterung. Für zahllose Familien, die schon aus ihren Wohnungen geworfen wurden, weil sie die Zinsen nicht mehr bezahlen konnten, kommt das Urteil viel zu spät. Und die schlechte Nachricht für alle ist, dass das Urteil nicht rückwirkend angewendet wird. Zu viel gezahlte Zinsen werden nicht zurückerstattet. Wer seine Wohnung auf Grund zu hoher Zinsen verlor, schaut ebenfalls in die Röhre. Damit wird klar, warum gerade auch das Europaparlament den Opfern von Zwangsräumungen den Rücken gestärkt hat.

Dass Banken den angerichteten Schaden nicht begleichen müssen, ist eine weitere verbraucherunfreundliche Rechtsauslegung. Es ist fraglich, ob sie mit internationalem Recht vereinbar ist. Ohnehin ist das Urteil des Obersten Gerichtshofs nur eine Konsequenz aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Die Luxemburger Richter hatten viele Klauseln in Kreditverträgen schon im März als illegal bezeichnet.

Spanische Banken werden vom Obersten Gerichtshof aber mit Samthandschuhen angefasst. Wie im Fall des Betrugs mit sogenannten Hybridanleihen bleiben Kunden auf ihren Verlusten sitzen. Für angeschlagene Banken, die schon mit mehr als 40 Milliarden Euro aus dem europäischen Rettungsfonds gestützt werden, wird aber die Luft nun noch dünner. Bisherige Einnahmen fallen aus, allein die BBVA verliert beim derzeitigen Zinssatz etwa eine halbe Milliarde Euro pro Jahr.

Dass die erneut regierende konservative Volkspartei (PP) über eine Gesetzesänderung einst die kurzfristige Zinsbindung an den Euribor einführte, ist ein zentrales Element, das zur Bildung der gefährlichen Immobilienblase führte In einer Niedrigzinsphase wurde vielen vorgegaukelt, sie könnten Zinsen sogar für überteuerte Wohnungen bezahlen, denn Mietwohnungen oder einen staatlichen sozialen Wohnungsbau gab es praktisch nicht. Auch die Bankenvereinigung (AEB) meint, die Blase hätte weitgehend vermieden werden können, wenn es eine Kultur fester Zinsen wie in anderen Ländern gegeben hätte.

Die hätte Spanien den Absturz in die Krise und vielen Familien in die Misere erspart. Denn als der Interbankenzins zum Ausbruch der Finanzkrise auf fast 6% explodierte, konnten schnell viele Haushalte enorm steigende Zinsen nicht mehr bezahlen, auch wenn sie noch einen Job hatten. Mit steigender Arbeitslosigkeit stieg die Kreditausfallquote auf immer neue Rekordwerte und reißt immer neue Löcher in die Bilanzen maroder Banken, die sich in der Immobilienblase verspekuliert haben. Mit einer anderen Zinspolitik, an der auch die Sozialdemokraten bis 2009 nichts geändert haben, wäre Spanien und vielen spanischen Familien viel erspart geblieben und europäischen Steuerzahlern viele Milliarden für die Bankenrettung.