Mit 65 strahlend in die Rente?
Offenbar sollen Laufzeiten der Atomkraftwerke in Spanien verlängert werden, damit das Renteneintrittsalter nicht auf 67 erhöht wird
In Spanien wird im Sozialpakt darüber gesprochen, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern. Im Gegenzug will sich die Regierung flexibel bei ihrem Vorhaben zeigen, das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre zu erhöhen. Das sagt der spanische Industrieminister Miguel Sebastián. Der Vorschlag sei von den Gewerkschaften gekommen: "Es geht um ein globales Abkommen, das nicht nur einen Bereich betrifft, und wenn die Gewerkschaften fordern, die Laufzeit der Atomkraftwerke über 2021 hinaus zu verlängern, muss das geprüft werden."
Seit 2004, als die Sozialisten (PSOE) überraschend für sie selbst die Wahlen gewannen, setzen sie ihr damals gegegebenes Versprechen nicht um, aus der Atomkraft auszusteigen. Ganz im Gegenteil wurde 2010 sogar die Laufzeit des Pannenreaktors Garoña verlängert, der 2011 regulär vom Netz gehen sollte, weil er die Lebensdauer von 40 Jahren erreicht hat.
Angesichts des Aufschreis, den auch die Umweltorganisation Greenpeace ausgestoßen hat, rudern Arbeiterkommissionen (CCOO) und Arbeiterunion (UGT) nun aber teilweise zurück. Greenpeace hatte unter anderem mit einem "tödlichen Schlag" für die Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien argumentiert und Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero an die schönen Worte erinnert, dass er "eine Million grüne Arbeitsplätze" schaffen will, wie er es auf dem G-20-Gipfel in Seoul versprochen hat. Angesichts von Arbeitslosenquoten, die in einigen Regionen sogar offiziell über 30% liegen, werden diese Jobs dringend gebraucht.
Die beiden großen Gewerkschaften haben nun erklärt, offiziell sei über das Thema nicht verhandelt worden. Es würden aber "in jedem Bereich Wege geprüft", ob ein Abkommen möglich ist, sagte der CCOO-Generalsekretär für Madrid, Javier López. Ein Dementi klingt anders.
Warum CCOO und UGT überhaupt wieder mit der Regierung verhandeln, ist bisher auch ihr Geheimnis. Schließlich hatte Zapatero per Dekret den Kündigungsschutz praktisch beseitigt. Verbilligte Kündigungen werden neuerdings sogar noch mit Steuergeldern subventioniert. Anders als die konservativen Vorgänger, die ihre dekretierte Arbeitsmarktreform 2002 fast vollständig zurücknahmen, hat Zapatero bisher nicht eingelenkt. Er setzte sogar noch einen drauf und ließ das ohnehin auf sechs Monate befristete Sozialgeld ersatzlos streichen. Bald werden mehr als eine Million Menschen in Spanien keinerlei Einkünfte mehr haben. 2,5 % der Bevölkerung lebt dann in bitterster Not und ihnen bleibt angesichts weiter steigender Arbeitslosigkeit nur Schwarzarbeit, Betteln oder Klauen.
Es ist erstaunlich, dass die Gewerkschaften, die das als "antiökonomisch, zutiefst unsozial und widersprüchlich" bezeichneten, nun wieder am Tisch mit Zapatero sitzen, weil sie die Misere lieber mitverwalten wollen. Böse Stimmen behaupten, dass die Regierung gedroht habe, die Finanzierung von CCOO und UGT zu kürzen. Denn die leben nicht von den Beiträgen der Mitglieder, sondern vom Geld der Regierung. An keinem Punkt, gegen den sie mobilisiert hatten, hat die Regierung bisher nachgegeben. Weder bei der Lohnkürzung im öffentlichen Dienst, beim Einfrieren der Renten…
Doch all diese Sparmaßnahmen, die Kaufkraft bei denen abziehen, die ohnehin ihr gesamtes Geld ausgeben müssen, führt wie beim Nachbarn Portugal dann auch in Spanien in die Rezession zurück und damit unter den EU-Rettungsschirm. Dass in Spanien die Zahl der Kreditausfälle immer neue Rekorde erreicht und Banken und Sparkassen immer anfälliger werden, gehört auch dazu und macht weitere Milliardenspritzen nötig. Im November wurden die Kreditausfälle schon mit 100 Milliarden Euro beziffert und sogar offiziell die sehr bedenkliche Quote von mehr als 5,7% angegeben.
Als "Theater" bezeichne immer mehr Gewerkschaften die Sozialpaktgespräche, weil dem "stärksten Angriff auf den Sozialstaat" entschieden begegnet werden müsse. Die baskischen Gewerkschaften mobilisieren bereits zu einem neuen Generalstreik gegen die unsoziale Politik aus Madrid für den 27. Januar. Es wird der dritte Generalstreik im Baskenland. Diesmal bleiben die Basken aber nicht allein, denn auch etliche kleinere spanische Gewerkschaften rufen dazu auf, den Unmut mit einem Streik deutlich zu machen, darunter vor allem die anarchosyndikalistischen Gewerkschaften CGT und CNT aber auch andere kleinere Gewerkschaften. Neben dem Baskenland wird der Streik deshalb vor allem in Katalonien spürbar sein.