Nato und Deutsche Welle sollen Medien gegen Moskau unterstützen

Neuer russischsprachiger Sender in Estland hat Betrieb aufgenommen

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In Estland hat nach einer mehrmonatigen Vorbereitungszeit ein neuer russischer Fernsehsender den Betrieb aufgenommen. Seit vier Wochen ist etv+ als drittes Programm des öffentlich-rechtlichen Senders ERR auf Sendung, um die große russischsprachige Bevölkerungsgruppe zu erreichen.

Immerhin rund 30 Prozent der 1,3 Millionen Einwohner der Balten-Republik gehörigen der russischsprachigen Minderheit an. Sie informieren sich bislang fast ausschließlich über russische Medien. Der neue Kanal soll nun ein Gegenpol zu diesen Quellen bilden, die oft eine Kreml-nahe
Analyse liefern.

Es liegt nahe, dass der Aufbau von etv+ Teil eines neuen medialen Kräftemessens zwischen den Nato-Staaten und Russland ist, dass es also um Propaganda und Gegenpropaganda geht. Doch auf diesen Umstand gehen die hiesigen raren Berichte kaum ein. In einem Korrespondententext der ARD aus Stockholm wird der Kontext der Sendergründung gleich ganz ausgeblendet.

Etv+ ist tatsächlich Teil einer umfassenden Medienstrategie der EU und der Nato gegen Russland. Nach Auskunft der EU-Kommission soll die Vernetzung "traditioneller und neuer Medien"
sowie "von Medienvertretern aus den Ländern der Östlichen Partnerschaft (…), die regelmäßig in Kontakt zu EU-Institutionen und EU-Delegationen stehen" ausgebaut werden. Zwischen 2011 und 2015 wurde das EU-Regionalprogramm "zur Förderung der Entwicklung freier und unabhängiger Medien" mit 15,5 Millionen Euro unterstützt. Für die Zeit nach 2015 wird das Programm auf 20 Millionen Euro aufgestockt. Zugleich forderten führende Nato-Vertreter in den vergangenen Monaten mehrfach – auch in Berlin (Propagandamachen immer nur die anderen) – eine gemeinsame Medienstrategie gegen Russland ein.

Ein Regionalbüro von etv+ soll von der Nato mit aufgebaut werden

Die Deutsche Welle (DW), das von der Bundesregierung finanzierte Auslandsfernsehen, war und ist am Aufbau der moskaukritischen Medien zwischen der Ostgrenze der EU und der Westgrenze Russlands aktiv beteiligt. Nach Angaben des estnischen Muttersenders haben DW-Intendant Peter Limbourg und der ERR-Funktionär Ainar Ruussaar Mitte Mai dieses Jahres eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Die Deutsche Welle verpflichtete sich, Mitarbeiter des Partnersenders für das russischsprachige Programm auszubilden und verschiedene russischsprachige Sendeformate zu liefern. Ähnliches sei für Lettland und Litauen geplant.

Vorbereitet wurde der Deal von Außenminister Frank-Walter Steinmeier im April dieses Jahres. Limbourg, ein ehemaliger Korrespondent bei der Nato, hilft bei der Umsetzung. Gegen die russischen Medien vorzugehen, sei eine vorrangige Aufgabe, sagte er im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit. "Unsere Werte in der Welt zu vertreten ist eine nationale Aufgabe", wird Limbourg an anderer Stelle zitiert.

Auch wenn er die deutsche Rolle ausspart, liefert ARD-Korrespondent Norbert Hansen aus Stockholm eine durchaus interessante neue Information zum neuen Mediennetz gegen Moskau. Ein Regionalbüro von etv+ in der russisch dominierten Stadt Narva am gleichnamigen Fluss soll von der Nato mit aufgebaut werden. "Die technische Ausstattung dort soll von der NATO finanziert werden. Aber inhaltlich nehme sie keinen Einfluss, wird betont", so Hansel, ohne weitere Quellenangabe.

Eine solche direkte Einflussnahme des Militärbündnisses auf den Aufbau moskaukritischer Medien hätte eine neue Qualität – und würde selbst russische Initiativen in den Schatten stellen. Nachvollziehbar wäre es. Narva ist, wie die britische BBC anmerkte, die russischste Stadt im Nato-Gebiet. Und: In dieser Stadt an der Grenze zu Russland fand vor einigen Monaten ein Aufmarsch von Nato-Truppen statt.