Neonazi-Besetzer sorgen für Konflikte in Madrid
Die Besetzung im Madrider Stadtteil Tetuán wird zum Zankapfel, doch nun soll auch ein linkes Zentrum geräumt werden
Mitte August haben Aktivisten der faschistischen "Sozial-Republikanische Bewegung" (MSR) in der spanischen Hauptstadt ein Gebäude besetzt. Seither kommt es zu Konflikten im Stadtteil Tetuán. Ein junger Chilene wurde in dem Stadtteil, der einen hohen Ausländeranteil ausweist, in der vergangenen Woche mutmaßlich von Neonazis verprügelt, ein linker Aktivist wurde beim Verteilen von Flugblättern angegriffen und zudem soll ein Einwanderer aus der Dominikanischen Republik am Sonntag einen Messerstich erhalten haben.
Ob der tatsächlich von Neonazis angegriffen wurde, ist vermutlich falsch. Doch in Tetuán ist die Unruhe groß und aus Gerüchten werden derzeit schnell Tatsachen. Mit dem weitgehend friedlichen Zusammenleben scheint es vorbei zu sein, seit junge MSR-Aktivisten ein leerstehendes Industriegebäude in der Straße Juan de Olías besetzt haben. Nur "Spaniern" wollen sie hier "Wohnraum, Essen und Hilfe bei der Jobsuche" bieten.
Für den Stadtteil ist das eine Provokation, gegen die am vergangenen Samstag etwa 1000 Menschen demonstrierten. "Wir wollen sie hier nicht", erklärte die Nachbarschaftsvereinigung. "Es braucht eine Aktionseinheit aller demokratischen Kräfte", sagt der Vizepräsident der Vereinigung Antonio Ortiz und fordert die Räumung. Eine junge Bewohnerin des Stadtteils erzählt, Zeugin geworden zu sein, wie "drei Skinheads" verbal zwei Punks angegriffen hätten. "Hurensöhne" hätten die Skinheads geschrien. "Ich murkse dich ab", habe einer angefügt. "So etwas habe ich hier zuvor nie erlebt", sagte die Frau, die ihren Namen aus Angst vor den Skinheads nicht nennen will.
Ortiz bestätigt, dass die Stimmung zu eskalieren droht. Seine Vereinigung hofft, dass die Behörden schnell Maßnahmen gegen das "Soziales Zuhause Ramiro Ledesma" ergreifen. Es ist nach dem Anhänger deutsche Nationalsozialisten und Gründer der Nationalsyndikalistischen Offensive (Jons) benannt, die zentraler Pfeiler der Franco-Diktatur war. Die Vereinigung kündigte neue Proteste an, falls nicht geräumt wird. Die Grundlage dafür ist da, denn die chinesischen Besitzer des Gebäudes haben schon Räumungsantrag gestellt. Der liegt auf dem Tisch eine Richters.
Doch nicht alle wollen warten, bis die Behörden tätig werden. Nach den mutmaßlichen Angriffen, griffen Antifaschisten das Gebäude am späten Samstag mit Steinen und Flaschen an. Ein Versuch der MSR, nach Vorbild der griechischen Goldenen Morgenröte vor dem Haus Lebensmittel nur an Spanier zu verteilen, wurde ebenfalls verhindert. Nach Angaben der Polizei soll eine Gruppe junger Einwanderer aus der Dominikanischen Republik am späten Montag das Gebäude mit Benzinflaschen angegriffen haben, um sich für den mutmaßlichen Angriff auf ihren Landsmann zu rächen.
Doch die rechtskonservative Vertreterin der Zentralregierung in Madrid will nicht allein die Neonazis räumen, sondern auch gleich noch das besetzte Sozialzentrum "La Enredadera" räumen. Beide Gebäude liegen nur 600 Meter auseinander. Cristina Cifuentes meint, die linken Besetzer verwandelten den Stadtteil in ein "Pulverfass". Sie hat sich mit den Besitzern in Verbindung gesetzt, um sie dazu zu bringen, einen Räumungsantrag zu stellen, um den "permanenten Konflikt zwischen beiden Zentren" zu beenden.
Anders als die Neonazis sind die linken Aktivisten im Stadtteil fest verankert. Die Nachbarschaftsvereinigung unterstützt sie mit einer Erklärung. "Ein guter Teil der Diversität, der Alternativen und der Basisaktivitäten gibt es in Tetuán dank der vielen besetzten Zentren im Stadtteil, die es seit Jahrzehnten gibt." Sie unterschieden nicht nach Herkunft und Rasse. Die Nazi-Besetzung sei dagegen ein "Magnet für Rassisten". Die Vereinigung verweist darauf, dass auch in Madrid tausende Familien aus ihren Wohnungen geräumt wurden, weil sie Miete oder Hypotheken in der Krise nicht mehr bezahlen konnten: "Wohnraum ist ein Recht, das nicht garantiert ist, weshalb es gerecht ist, leerstehende Wohnung en zu besetzen."
In der MSR ist ein Streit entbrannt, ob man solche Besetzungen nach Vorbild der "Casa Pound" in Rom durchführen sollte, benannt nach dem Mussolini‑Anhänger Ezra Pound. Bevor in Madrid besetzt wurde, hatten MSR-Mitglieder schon im Juni ein Wohnhaus in Saragossa besetzt und auch im südspanischen Castellón wurde ein Haus von MSR-Anhängern besetzt. Doch die Besetzungen fanden ohne Genehmigung der Führung der Partei statt, die sich davon distanzierte. Sie lösten eine Krise in der Partei aus, aus der etliche Führungsmitglieder ausschieden, darunter auch der Gründer Juan Antonio Llopart. Es musste eilig ein außerordentlicher Parteikongress am 6. September abgehalten werden. Die Linie, mit einem sozialen Anstrich neue Anhänger zu werben, ist bei der MSR weiter umstritten.