Neue Zeitung in Griechenland als genossenschaftliches Projekt gestartet
Die Medien hat die Krise hart getroffen, mehrere Zeitungen sind bereits eingegangen, der Anzeigenmarkt ist stark eingebrochen
Die neue Zeitung starte inmitten einer "entscheidenden Wendung in der neugriechischen Geschichte", heißt es im Editorial der seit Montag erscheinenden "Zeitung der Redakteure" ( Efimerida ton Syntakton) in Griechenland. "Niemals zuvor wurden Institutionen und Amtsträger des Systems so radikal angezweifelt, niemals zuvor war die politische Bühne so anfällig für Wandlungen und niemals zuvor – ausgenommen zur Zeit der Nazibesatzung – ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung so vielen Schlägen in so kurzer Zeit ausgesetzt worden."
Herausgegeben von vorwiegend vormals bei der seit Ende letzten Jahres im Konkursverfahren steckenden linksliberalen Eleftherotypia (zu deutsch Pressefreiheit) arbeitenden Journalisten möchte das Zeitungsprojekt mit "unabhängiger und vielstimmiger Berichterstattung, umfassender Erforschung jeder Seite der Realität und vor allem harter, aber ehrlicher Kritik an den Herrschenden und allen, die es werden wollen", zur Überwindung der Krise beitragen. Den Bezug auf, aber auch die Abgrenzung zur ehemals landesweit zweitgrößten und im linken Raum meistgelesenen Tageszeitung stellte die "Zeitung der Redakteure" bereits in ihrer ersten Ausgabe dar. Unter der Überschrift "Pressefreiheit ist nicht vererbbar", erklärt die neue Redaktion, man wolle die "Charakteristiken der unabhängigen, demokratischen Zeitung, in der wir vorher gearbeitet haben, aufrechterhalten, aber auch einen neuen kraftvollen Weg der Information öffnen, bei dem der Krise mit einer Front gegen die Propaganda, die Intransparenz, die Abhängigkeit, die Verdrehung und die Verheimlichung von Nachrichten begegnet wird".
Mit der "Zeitung der Redakteure" versucht sich erstmalig am griechischen Zeitungsmarkt ein als Genossenschaft gegründetes Projekt zu etablieren. Verantwortlich für den Inhalt und die Verwaltung der Zeitung sind die Macher im Kollektiv. "Mit unserem Projekt wollen wir auch zeigen, dass eine tatsächlich unabhängige und pluralistische Zeitung nicht unmöglich ist und den Medienarbeitern die Loslösung aus alten und neuen Interessensverstrickungen öffnet, die unsere Branche in hohem Maße diskreditiert und in gelenkten Journalismus geführt hat."
Ein ehrgeiziges Unterfangen. Auch die Eleftherotypia hatte bei ihrer Gründung kurz nach dem Fall der griechischen Militärjunta (1967-1974) als Zeitung der Redakteure begonnen, in der alle Entscheidungen kollektiv gefällt wurden, sich im Laufe der Jahre aber zu einer konventionell von Herausgeber und Chefredaktion dominierten Tageszeitung entwickelt. Und auch ökonomisch sieht sich die neue "Zeitung der Redakteure" großen Herausforderungen ausgesetzt. Seit Beginn der Krise ist der Anzeigenmarkt in der Medienbranche um die Hälfte eingebrochen und halten sich die Banken bei der Vergabe von Krediten stark zurück. In Folge sind von den ehemals über 20 Tageszeitungen Griechenlands bereits einige eingegangen, in vielen anderen warten die Medienarbeiter seit Monaten auf ihren Lohn.
Bei der "Zeitung der Redakteure" hat man vereinbart, eine Durststrecke von zwei Monaten unentgeltlich zu arbeiten, danach aber soll das Projekt seine Macher zwar nicht reich machen, aber ernähren können. Zumindest zum größten Teil, denn einige Mitglieder des aus über 100 ehemaligen Angestellten der Eleftherotypia oder anderen in die Krise geratenen Zeitungen, bereits in Rente gegangenen Kolleginnen und Kollegen und diversen Unterstützern aus Wissenschaft und Kunst bestehenden Kollektivs hat dem Projekt die unentgeltliche Mitarbeit in Form von Textbeiträgen zugesagt. Zusammen produzieren sie seit Montag täglich 48 und für die Wochenendausgabe 64 Seiten Zeitung.