Pläne Spaniens, Gas-Transitland zu werden, durch Erdbeben angeschlagen

Das geplante Erdgaslager steht vor dem Aus, nachdem die Betreiber auf Nutzungsrechte verzichten, das kostet dem Staat etwa 1,6 Milliarden Euro

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Das definitive Urteil über den "Castor" 20 Kilometer vor der spanischen Mittelmeerküste steht noch aus. Doch Vorentscheidungen über die größte Investition ins spanische Gassystem sind längst gefallen. Das Projekt steht vor dem Aus, denn nun verzichten sogar die Betreiber auf die Nutzungsrechte eines Lagers, das bei der Einlagerung von Gas die Erde vor der Küste Valencias zum Teil heftig beben ließ.

Studien haben aufgezeigt, dass das Projekt mit dem Namen "Castor" für mehr als 500 Erdbeben in nur zwei Monaten verantwortlich war. Die Erde begann, im vergangenen Sommer zu beben, nachdem Gas dort eingepumpt wurde, wo einst 21 Kilometer vor Vinaròs Öl aus dem Meeresboden gefördert worden war, wie Telepolis berichtete.

Der größte spanische Baukonzern ACS, der für die Zerschlagung von Hochtief in Deutschland bekannt wurde, versucht mit dem Schritt zu retten, was zu retten ist. Denn er will nun die Kosten in Höhe von 1,6 Milliarden Euro auf die Steuerzahler abwälzen. ACS ist zu zwei Dritteln am Unternehmen Escal UGS beteiligt, das die Nutzungsrechte für den Castor hat. Escal UGS hat sich für den Rückzug an die Europäische Investitionsbank (EIB) gewendet und eine Genehmigung beantragt, denn die EIB hat das umstrittene Projekt zu einem Drittel finanziert. Das ist der erste Schritt zum definitiven Ausstieg.

Der Rückzug war absehbar, nachdem die Ratingagentur Fitch die Anleihen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro, die von Escal UGS begeben wurden, vergangene Woche um drei Stufen auf das Ramsch-Niveau "BB+" herabstufte. Fitch hielt den Rückzug für das "wahrscheinlichste Szenario" und zeigte auf, dass die Escal UGS die Anleihen im vollen Umfang zurückzahlen müsse, wenn sie nicht bis zum 30. November aus dem Projekt aussteigt. Das sehen die Verträge vor. Dass der Castor bis dahin in Betrieb geht, hält die Agentur wie alle Beteiligten für sehr unwahrscheinlich. Für Fitch fehlen Ergebnisse und das Projekt ungewiss.

Industrieminister José Manuel Soria hat heute anerkannt, dass es eine Entschädigung der Betreiber aus Steuergeldern keine Alternative geben soll. Denn es handelt sich um einen sehr spanischen Vertrag, der einst mit Escal UGS geschlossen wurde. Die Entschädigung ist sogar für Fälle vorgesehen, wenn grober Vorsatz oder Fahrlässigkeit festgestellt wird. Die Betreiber haben sich in den Verträgen mit der Regierung praktisch von jeder Haftung entbunden.

Seismologische Risiken waren nicht geprüft worden

Das Aus für das Projekt wurde praktisch damit besiegelt, als zwei Studien bekannt wurden, die einen "direkten Zusammenhang" zwischen Beben und Einlagerung aufzeigten, die von der Regierung über Monate geheimgehalten worden waren. Das Nationale Geografische Institut (IGN) kam darin zum Schluss: "Alles deutet darauf hin, dass die Gaseinlagerung zu einer induzierten Seismizität führt." Diese Einschätzung wurde vom Nationalen Institut für Geologie und Bergbau (IGME) bestätigt.

Gaslager im baskischen Bermeo. Bild: Magnus Manske/CC BY 2.0 (Bild: [Link auf http://es.wikipedia.org/wiki/Bermeo#mediaviewer/Archivo:Plataforma_La_Gaviota.jpg] )

Was an der Atlantikküste vor dem baskischen Bermeo funktioniert, brachte am Mittelmeer die Erde zum Beben. Erdgas wird von einer Plattform mit hohem Druck eingepumpt und verdrängt das Wasser, das in poröses Gestein des Ölfelds geflossen war. Ob für die Erdstöße die bekannte tektonische Bruchlinie von Amposta verantwortlich ist, ist nicht geklärt. Auf ihr liegt das Lager. Die IGN-Studie macht eine "bisher nicht kartierte Verwerfung" verantwortlich. Die Einlagerung habe dort "seismotektonische Prozesse" beschleunigt. Die IGME-Studie spricht aber von "Spannungen einiger Verwerfungen im Umfeld des Lagers".

Bevor das Projekt genehmigt wurde, hatte man alle möglichen Risiken untersucht. In einem Gutachten wurde sogar festgestellt, dass das Rauschen in den Gasleitungen das Gehör von Schildkröten und Fischen nicht beeinträchtigen werde. Nachdem die Erde in Valencia und Katalonien bebte, musste Umweltminister Miguel Arias Cañete zugeben, dass ausgerechnet die seismologischen Risiken nicht geprüft wurden, obwohl die Bruchlinie von Amposta bekannt war.
Industrieminister Soria will angesichts der strategischen Bedeutung des Projekts noch immer keine definitive Entscheidung treffen, obwohl auch viele Mitglieder seiner konservativen Volkspartei (PP) in der Region Druck auf die Regierung machen. Er lässt die Gefahren des Projekts derzeit noch teuer vom Massachusetts Institute of Technology und der Universität in Standford in den USA prüfen. Denn spanische Geologen wie Eulàlia Masana schließen auch einen Tsunami nicht aus. Entweder bauen die Beben "Spannungen im Untergrund ab" und die Lage beruhigt sich - "oder die Erdbeben entwickeln einen Domino‑Effekt".

Bei der Entscheidung geht nicht nur um viel Geld. Spanien wollte sich mit dem Lager unabhängiger von Schwankungen auf dem Weltmarkt machen, da es praktisch sein gesamtes Gas importiert und unter einer enormen Energieabhängigkeit leidet. Der Castor ist zudem eines der größten Lager und sollte dem Land dabei helfen, sich als Transitland für Gas aus Algerien zu positionieren. Damit soll nach Ansicht von Spanien Europa unabhängiger von russischem Gas gemacht werden.

Deshalb startete Spanien im Frühjahr mit Blick auf die Ukraine Krise eine Offensive: "Wir sind überzeugt, dass man diese Abhängigkeit reduzieren muss, und dafür muss man zur Versorgung die Lieferung von Gas aus Nordafrika verstärken." Jetzt sei es an der Zeit, EU-Pläne die schon in der Schublade lägen umzusetzen. Was die EU inzwischen als "Priorität" anerkenne, sei "gut für Algerien und gut für uns", sagte der spanische Außenminister José Manuel García-Margallo.

Ob die Lieferung aus Algerien angesichts von tödlichen Besetzungen von Gasanlagen und Pipelines sicher ist, darf bezweifelt werden. Spanien hofft aber als Vermittler auf erhebliche Einnahmen. Und der Castor war ein Baustein in dem Projekt. Das spanische Anliegen hängt aber auch vom französischen Nachbar ab. Um verstärkt Gas aus Algerien nach Europa pumpen zu können, muss eine weitere Pipeline durch Frankreich gebaut werden. In Spanien sind die Röhren praktisch schon bis zur Grenze verlegt, doch der Nachbar hat nicht einmal damit begonnen.