Pleitekandidat Griechenland
Der Internationale Währungsfond prüft, ob das Defizit in Griechenland nicht noch deftiger ausfällt.
Die konservative Vorgängerregierung Griechenlands hatte versucht, das erwartete Haushaltsdefizit herunterzuspielen, das nach Brüssel gemeldet wurde. Die sozialistischen Nachfolger gaben die Neuverschuldung für 2009 später mit fast 13 % des Bruttoinlandsprodukts mehr als doppelt so hoch wie die Vorgänger an. Das Land schiebt demnach schon einen Schuldenberg von 300 Milliarden Euro vor sich her, etwa 125 der gesamten Wirtschaftleistung ausmacht. Und nun werden die Befürchtungen im lauter, dass das Defizit des Pleitekandidaten in diesem Jahr noch deutlich höher ausfallen könnte, als auch die Sozialisten der Pasok zugeben.
In verschiedenen Medien wird gemeldet, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) deshalb nun die Daten aus Griechenland unter die Lupe nehmen will. Tatsächlich sind die Zweifel an den Angaben aus Griechenland berechtigt. Bisher wurden die Schuldenprognosen aus Athen Jahr für Jahr über den Haufen geworfen und mehr Schulden als angekündigt gemacht. Selbst in Jahren mit zum Teil hohen Wachstumsraten hat das Land die Kriterien des Maastrichter Stabilitätspakts verletzt. Um Mitglied der Währungsunion zu werden, wurde ausgiebig getrickst, die Mehrwertsteuer gesenkt und zum Beispiel die Militärausgaben nicht als Staatsausgaben gewertet.
Da braucht sich Finanzminister Giorgos Papakonstantinou eigentlich nicht über den "Totalverlust an Glaubwürdigkeit" zu wundern, wie er gegenüber dem Spiegel erklärte. Dass viele der griechischen Probleme wenig mit den absoluten Zahlen zu tun haben, wie er behauptet, wird sich noch herausstellen müssen. Inzwischen mehren sich die Stimmen in der EU, die davon ausgehen, dass die die Stabilität des Euroraumes in Mitleidenschaft gezogen wird. Doch das liegt nicht allein an Griechenland, das nur 3 % der europäischen Wirtschaftsleistung erbringt. Die EU spricht schon offiziell von den PIGS-Staaten. Damit sind keine Schweine-Länder gemeint, sondern die Mittelmeeranrainer Portugal, Italien, Griechenland und Spanien, die allesamt ein hohes Defizit aufweisen und strukturelle Probleme haben.
Nicht ganz ins Bild soll Irland passen. Das Land wird in der EU gerade gehätschelt und wieder einmal als Beispiel angepriesen. Anders als vor einigen Jahren wird nicht das hohe Wachstum des "keltischen Tigers" gelobt, denn dort schrumpft die Wirtschaft 2009 um 8 % deutlich. Der Tiger hat sich die Zähne an der massiven Immobilienspekulation und laxer Bankenaufsicht ausgerissen. Tatsächlich ist die Lage auf der grünen Insel fatal und deutlich schlechter als zum Beispiel in Portugal. Aber man lobt in Brüssel eben gerne, wenn die Bevölkerung mit harten Einschnitten bei Löhnen und Sozialleistungen für die Bankenrettung zur Kasse gebeten werden soll.
Erwartungsgemäß wird jetzt auch von den einfachen Griechen gefordert, den Gürtel enger zu schnallen. "Wir müssen sehr schnell handeln und spezifische, radikale und schmerzhafte Maßnahmen vorlegen", schrieb Nikos Karamouzis, der Vizevorstand des zweitgrößten griechischen Institut EFG Eurobank in einem Beitrag für die Zeitung "To Vima". Wer glaubt, damit könnten Reformen bei Banken gemeint sein, liegt völlig falsch. Er denkt eher an Lohnkürzungen von 15 % wie in Irland. Während Karamouzis nicht genauer wird, zeigt sein Kollege und Chef der Piraeus Bank in seinem Beitrag für die Zeitung schon ein wenig mehr, wohin die Reise gehen soll. Ausgerechnet die Banken könnten Maßnahmen aufzeigen, die 18-20 Milliarden Euro einbringen könnten, meinte Michael Sallas. "For example, the active managing of the state's real estate property." Soll also der Staat das Tafelsilber an die Banken verscherbeln, um sie dann irgendwann mit Steuergeldern retten zu dürfen?
Die Aussagen unserer Politiker, man werde Griechenland nicht mit Geldspritzen unterstützen, darf man auch so schnell vergessen, wie sie abgesondert werden. Die Bundesregierung ließ über den Sprecher des Finanzministeriums, Michael Offer, mit Bezug auf Angaben des griechischen Finanzministeriums verlauten, das Land könne seine Probleme aus eigener Kraft lösen. "Insofern gibt es auch keinen Grund, jetzt daran zu zweifeln."
Daniela Schwarzer von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht das realistischer: "Die Mitgliedsländer können es sich schlichtweg nicht leisten, ein anderes Mitgliedsland bankrott gehen zu lassen." Es werde sicher in irgendeiner Form über den IWF oder mit dem Stützungspakete geben. Mit Auflagen als Hebel könnte man Länder wie Griechenland auf Reformkurs bringen, damit "sie langfristig besser mit der gemeinsamen Währung leben können".
Wenn Politiker derzeit Finanzspritzen von sich weisen, stehen die Milliardenspritzen oft unmittelbar bevor. So hatte der bayerische Finanzminister und BayernLB-Verwaltungsratschef Georg Fahrenschon noch am Freitag erklärt, es würden keine Gelder mehr in die Kärntner Hypo Group Alpe Adria (HGAA) fließen. Nun muss die BayernLB noch einmal 825 Millionen Euro nachschießen, nur um die Anteile an der Bank loszuwerden. Es darf erwartet werden, dass der griechische Finanzminister diese Woche bei seiner Blitzreise durch Europa nicht nur versucht, die Glaubwürdigkeit Griechenland aufzubessern. Er wird beim ersten Stopp am Dienstag in Berlin wohl auch um handfeste Unterstützung bitten, wie am Tag danach in Paris.