Politik der Notenbanken führt zur "Monsterblase"
Die FED fährt die Geldflutung nicht zurück, auch die EZB lässt den Zinssatz unverändert, "Mr. Doom" warnt vor dem "größten koordinierten Vermögenskollaps der Geschichte".
Nun ist es klar: Die US-Notenbank (FED) hat es vorgeturnt und in Europa wird gefolgt. Schon am späten Mittwoch (Ortszeit) hatte die FED entschieden, der Leitzins werde noch "für einen längeren Zeitraum außerordentlich niedrig" bleiben und hat ihn erwartungsgemäß bei 0 bis 0,25 % belassen. So war es eigentlich nicht anders zu erwarten, dass auch die Bank of England (BoE) und die Europäische Zentralbank (EZB) heute nachturnen werden.
So hatte heute zunächst die BoE entschieden, den Leitzins auf dem historischen Tief von 0,5 % zu belassen. Das war eigentlich auch nicht anders zu erwarten. Denn der Regierung in London ist es, anders als in Deutschland, Frankreich und zuletzt auch in den USA, bisher nicht einmal gelungen, mit den massiven Konjunkturspritzen und Geldflutungsmaßnahmen ein Minimalwachstum herbeizudopen. Auch im dritten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erneut um 0,4 % zurückgegangen und damit schrumpft die britische Wirtschaft seit 18 Monaten in Folge. Auch die BoE will Licht am Horizont sehen und spricht von "Zeichen der Erholung". Sie muss dafür allerdings nach außen schauen: "Einige Schwellenländer wachsen wieder stark." Obwohl sich die Refinanzierungsbedingungen der Banken verbesserten, bleibe die Lage an den Finanzmärkten aber weiter "fragil". Ausgeweitet hat die BoE ihr Aufkaufprogramm für Staatsanleihen und andere Wertpapiere um 25 auf 200 Mrd. Pfund aus. "Das", so konjunkturstuetze-bank-of-england-kauft-noch-mehr-auf/50033273.html: urteilt die Financial Times, "entspricht quasi der Finanzierung des Staates durch die Notenpresse."
Kurz danach hat auch die EZB entschieden, den Zinssatz auf dem historischen Tiefstand von 1 % zu belassen. Auch EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat auf einer Pressekonferenz warnende Worte gesprochen. Die Motoren, die für ein geringes Wachstum gesorgt haben, seien nur von temporärer Natur, spielte er auf die Konjunkturprogramme an. Dass die Ökonomien weiter stimuliert werden müssten, schloss Trichet genauso wenig aus, wie neue Gefahren, die dem Finanzsektor drohten. Erst ganz zum Ende gab er um 14 Uhr 46 das wesentliche Statement ab. Wonach man progressiv die Liquidität senken werde, weil nicht "alle Liquidität immer" und "nicht immer in der gleichen Höhe" notwendig sei. Die mit Spannung erwartete Anworr auf die Frage, wann damit begonnen wird, ließ er allerdings offen.
Anders also als Norwegen und Australien, deren Ökonomien sich real erholen, zeigen die Entscheidungen der FED, EZB und BoE, dass man nicht wirklich an eine reale wirtschaftliche Erholung glaubt. Wenn die FED sogar deutlich macht, dass sie die Zinsen weiterhin niedrig lassen will, zeigt, dass sie sich deutliche Sorgen macht, ob sich die US-Wirtschaft wirklich erholen wird. Und wie Trichet spricht auch der US-Notenbankchef Ben Bernanke zwar gerne davon, dass dem Markt die enormen Geldmengen irgendwann wieder entzogen werden müssten. Praktisch schreibt er aber seiner Krisenpolitik für die Zukunft fest.
Die birgt allerdings die große Gefahr, dass sich nicht nur neue, sondern zudem noch größere Blasen bilden. Genau darauf hat der Krisenprophet Nouriel Roubini nun in einem roubinis-warnung-die-fed-sorgt-fuer-eine-neue-monsterblase/50032096.html: Gastbeitrag für die Financial Times hingewiesen. Der Professor an der Stern School of Business der Universität von New York meint, dass die Schwäche des US-Dollar dabei noch blähender wirke. Dabei gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen dem Dollarabsturz, dem Anwerfen der Druckmaschinen und der Politik des "quantitativ easing", an der auch die BoE festhält. So hatte der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz schon im Sommer erklärt, dass das Fluten der Geldmärkte nicht ohne Folgen bleiben werde.
Wollte Nouriel Roubini im Frühjahr, wie Bernanke, schon "Licht am Ende des Tunnels" sehen, warnt er nun davor, dass die FED-Politik stattdessen eine "neue Monsterblase schafft". Wer seit März risikobehaftete Anlageklassen wie Aktien, Öl, Energie, Rohstoffe gekauft habe, konnte Kurszuwächse von 50 bis 70 % verzeichnen, weshalb immer mehr Investoren einstiegen. "Damit werden die Preise weit über das hinausgetrieben, was durch die wirtschaftlichen Fundamentaldaten oder die Wachstumsaussichten gerechtfertigt ist“, schreibt Roubini.
Durch die Dollarschwäche "wird die Mutter aller Carry-Trades beflügelt". Da die Fed die Zinsen eingefroren habe, was sie nun auch noch für lange Zeit festschreibt, ist der Dollar zur Hauptwährung bei Carry-Trades geworden. Bei dieser Anlagestrategie nimmt man einen Kredit in einer Währung mit so niedrigen Zinsen wie in den USA auf und investiert das Geld in einer Währung mit vergleichsweise hohen Zinsen. Das ist mit großen Risiken verwunden, weil man das Wechselkurs und das Zinsänderungsrisiko trägt. Roubini geht davon aus, dass sich derzeit auf Jahr gerechnet sogar ein negativer Zins von 10 bis 20 % aufs Jahr gerechnet ergibt. "Der Grund: Der Kursverfall des Dollar führt zu massiven Kapitalgewinnen bei Short-Positionen in Dollar." Dieses Minuszinsgeld werde weltweit in eine große Zahl von Anlageklassen gesteckt und die verteuerten sich wegen der überschüssigen Liquidität eben massiv.
Wie alle Blasen muss auch diese irgendwann platzen. Nach Ansicht von "Mr. Doom" wird das Platzen dieser Blase "zum größten koordinierten Vermögenskollaps der Geschichte führen". Gewinnt der Dollar plötzlich an Wert, müsse der gehebelte Carry-Trade plötzlich geschlossen werden, da die Anleger ihre Dollar-Short-Positionen abdecken. "Es wird zu einer Massenpanik kommen, da das Decken riskanter gehebelter Long-Positionen über alle Vermögensklassen hinweg einen koordinierten Zusammenbruch all dieser risikobehafteten Vermögenswerte auslöst." Je länger die derzeitige Zinspolitik beibehalten werde, desto größer sei der darauf folgende Zusammenbruch: "Die Fed und andere politische Entscheider scheinen sich nicht bewusst zu sein, welch eine Monsterblase sie erschaffen.“