Portugal gegen IWF und Sparprogrammen auf der Straße
Mit zahlreichen Aktionen und einem Generalstreik sollen die erwarteten Einschnitte abgewehrt werden
Die portugiesischen Gewerkschaften haben sich am 1. Mai in 45 Städten für einen weiteren Generalstreik warm gelaufen. Dabei haben die großen Arbeitnehmervertretungen meist eigene Proteste wie in Lissabon durchgeführt. Auch auf einen gemeinsamen Slogan konnten sie sich nicht einigen, wenngleich die Aufrufe sich im Inhalt nicht sonderlich unterschieden. Sowohl die große CGTP wie auch die zweitgrößte UGT sind vor allem zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und gegen Senkungen von Löhnen, Pensionen und Einschnitten ins Sozialsystem auf die Straße gegangen.
Der Generalsekretär der Gewerkschaft UGT erklärte, dass dieser 1. Mai in eine "ganz besondere" Situation falle. João Proença sprach damit die Verhandlungen mit der "Troika" an, die aus dem Internationalen Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und Europäischer Kommission besteht. Die laufen schon, um die Bedingungen auszuhandeln, nach denen das Land Gelder aus dem Rettungsschirm erhalten soll. Schließlich hat sich in den letzten Wochen die Lage in dem Land am westlichen Rand der EU noch deutlich zugespitzt. Portugal musste nach Griechenland und Irland Anfang April offiziell . einen Nothilfeantrag stellen. Die Zinsen für Staatsanleihen waren massiv nach oben getrieben worden und wurden unbezahlbar. Ende März war die sozialistische Minderheitsregierung zurückgetreten, nachdem sich die Opposition weigerte, ihren vierten Sparplan in einem Jahr zu beschließen.
In Portugal sind aber nicht nur die Gewerkschaften entsetzt darüber, dass die Verhandlungen um die Hilfsgelder schon aufgenommen wurden. Denn erst am 6. Juni werden Neuwahlen stattfinden und die geschäftsführende Regierung hat kein politisches Mandat für bedeutende Entscheidungen. Ohnehin spricht alles dafür, dass die Sozialisten unter Jose Socrates eine schwere Niederlage erleiden werden. Dessen Regierung hofft aber darauf, dass das Land bereits im Juni auf Hilfsgeld zurückgreifen kann, die dafür im Mai noch beschlossen werden müssten.
Insgesamt wird befürchtet, dass die Auflagen weitere massive Einschnitte ins soziale Netz vorsehen werden. Deshalb sagte Proença mit Blick auf Griechenland und Irland zum 1. Mai, die Arbeiterbewegung werde sich darauf konzentrieren, "die Beschäftigung, würdige Löhne und den Sozialstaat" zu verteidigen. "Wir können nicht zulassen, dass die Verhandlungen mit der ‘Troika’ zur Deregulierung der Arbeitsbeziehungen benutzt werden", fügte der UGT-Chef an.
Für seinen Kollegen von der CGTP, Manuel Carvalho da Silva, steht die Zukunft Portugals auf dem Spiel. Der Troika gehe es darum, die "Schandtaten" mit den Mächtigen zu definieren, welche "Arbeitern und dem Volk als weitere Opfer" abverlangt würden. Er sprach von einer neuen Kolonisierung der "Armen durch die Reichen", womit die Armut zunehme und die Entwicklung des Landes blockiert werde. Es bedürfe einer "sehr großen Anstrengung", um das abzuwenden. Ob sich angesichts des schlechten Wetters am 1. Mai ein so massiver Protest wie am 19. März wiederholen ließ, kann noch nicht abgeschätzt werden. 300.000 Portugiesen hatten im März gegen neue Sparmaßnahmen und Einschnitte demonstriert - so viele Menschen hatten seit der Nelkenrevolution nicht mehr demonstriert, als 1974 die Diktatur gestürzt wurde.
Die Mai-Demonstrationen sind aber eingebettet in eine Vielzahl von Protest- und Widerstandsaktionen. Unter dem Stichwort "MayDay" wird gefordert: "IWF- raus mit dir!" Der Bewegung geht es darum, dass sich der Erfolg gegen den letzten Sparplan nicht zum Pyrrhussieg verwandelt. Denn befürchtet wird, dass dem Land vom IWF unter Aushebelung der nationalen Souveränität noch viel härtere Sparpläne aufgezwungen werden. Wenn der IWF prognostiziert, dass die hohe Arbeitslosigkeit von derzeit gut 11% im kommenden Jahr noch deutlich ansteigen wird, bestätigt die Einschätzung.
So erwartet der Dachverband der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes ( FNSFP) einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen, auch wegen der Privatisierungen der staatlichen oder halbstaatlichen Betriebe. "Es ist Zeit zum Kämpfen“, meint deshalb der FNSFP-Chef. Paulo Taborda will deshalb mit einem Generalstreik den "öffentlichen Dienst und seine Beschäftigten verteidigen". Angesichts der Wut, die sich im Land anstaut, könnte die Gewerkschaft ihr Ziel, das Land lahmzulegen, auch erreichen. Wie der Chef der vier Gewerkschaften gehen viele im Land davon aus, dass nach drei Sparplänen die einfache Bevölkerung nicht noch mehr Opfer bringen kann, weshalb eine massive Streik-Beteiligung am Freitag erwartet wird.