Portugal knickt vor den Ratingagenturen ein
Auch die Sozialdemokraten in Lissabon verlassen den Weg des ausgeglichenen Sparens und wollen nun die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent anheben
Das Trommelfeuer auf Portugal zeigt nun in Lissabon deutliche Wirkung, mit dem das Land nun für einen harten Sparkurs weich geklopft wurde. Auch die Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Jose Socrates, will, wie die Genossen in Spanien schon dekretiert haben, Gehälter im öffentlichen Dienst kürzen, Steuern erhöhen und die Staatsausgaben weiter zurückfahren. Das war das Ergebnis einer Krisensitzung, zu der das Kabinett in Lissabon am Donnerstag zusammenkam. Nach Spanien vollführt auch Portugal nun eine Kehrtwende und begibt sich auf den griechischen und irischen Crash-Kurs. Bisher hatten die Sozialdemokraten eine Konsolidierung gefahren, der alle Bevölkerungsgruppen belastet und sogar den Militärhaushalt angetastet hat. Doch nun werden auch hier vor allem die unteren Einkommensgruppen zur Kasse gebeten, was die Anhebung der Mehrwertsteuer auf 23% zeigt.
Seit Monaten wird auf Lissabon eingeprügelt, damit es sich auf diesen zweifelhaften Weg begibt, den Wirtschaftsnobelpreisträger als "verrückt" bezeichnen. Neben Paul Krugman warnt auch Joseph Stiglitz immer wieder vor den "katastrophale Folgen" der harten Sparprogramme. Doch sie kommen gegen das Trommelfeuer aus Brüssel, Berlin und der Ratingagenturen nicht an.
Es begann damit, dass Moody's plötzlich Portugal in einem Atemzug mit Griechenland nannte und von einem "langsamen Tod" sprach. Ein Begründung für diese Einschätzung gab es nicht. Allerdings verteuerten sich die Refinanzierungskosten für das Land immer stärker und es folgte eine merkwürdige Herabstufung der Kreditwürdigkeit nach der anderen, die sich aus den Fundamentaldaten des Landes nicht begründen ließen. Im Mai nahm sogar die Europäische Zentralbank (EZB) das Land in Schutz und machte deutlich, dass Portugal nicht Griechenland sei. Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen stiegen trotzdem auf mehr als 6%.
Die hohen Refinanzierungskosten haben die bisherigen glaubwürdigen Sparpläne der Regierung allerdings zerschossen, mit der sie das Haushaltsdefizit langsam bis 2013 auf 3% senken wollte. Dabei lag das Defizit 2009 ohnehin deutlich unter dem Griechenlands oder Irlands und bei der Gesamtverschuldung kam das Land nicht einmal auf den Durchschnitt von 78,7% in der Eurozone. Doch wer so hohe Zinsen bezahlen muss, kann sich nur noch in die Rezession sparen, wie es in Griechenland und Irland gemacht wird. Sinnvoll wäre es, sich unter den EU-Rettungsschirm zu begeben, um die hohen Zinszahlungen zu begrenzen. Doch dann müsste man, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel unbedingt den Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Boot gezwungen hat, wie Griechenland einen guten Teil der Souveränität nach Washington abgeben.
Diese Zwickmühle nennt man Dilemma. Vor den Hörnern des Stiers hat man nur noch die Wahl, vom rechten Horn (den Finanzmärkten) oder vom linken Horn (IWF) aufgespießt zu werden. Socrates hat dem Druck nun nachgegeben. Den Portugiesen soll massiv weiter Kaufkraft entzogen werden, um die Zinsen bedienen zu können. Die Regierung will die Gehälter der öffentlichen Angestellten, die mehr als 1.500 Euro im Monat verdienen, um 5% wie in Spanien kürzen. Wie beim Nachbar sollen auch die Pensionszahlungen eingefroren werden. Damit kommt es zu einer Entwertung durch die Inflation, wie sie in Griechenland auch schon sichtbar ist, wo sie über 5% liegt. Es ist offensichtlich, dass hinter dem Einfrieren von Renten und Löhnen angesichts der zu erwarteten Inflation eine Vorgabe aus Brüssel steckt, um Teile der Staatsschulden über diesen Weg zu beseitigen.
Bringen sollen das Einsparungen in einer Höhe von lächerlichen 3,4 Milliarden Euro. Dazu sollen noch einmal Mehreinnahmen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro kommen, was ohnehin bezweifelt werden darf. Denn wenn Kaufkraft entzogen wird, brechen gewöhnlich Steuereinnahmen ein, weil weniger Geld für den Konsum vorhanden ist. Dazu kommt, dass die Wirtschaft wieder schrumpfen wird, was zu mehr Arbeitslosigkeit, höheren Transferkosten und geringeren Steuereinnahmen führt. Schon die bisherigen Sparprogramme haben das Wachstum von April bis Juni auf minimale 0,2% schrumpfen lassen. Man muss kein Prophet sein, um vorhersagen zu können, dass neben Spanien demnächst auch Portugal wieder in der Rezession versinkt und sich der Double-Dip fest in Europa einnistet, womit sich die Gefahren auch für die Weltwirtschaft vergrößern.
Und was sind das für Sümmchen gegenüber den Milliarden, die in Irland weiterhin in Banken versenkt werden. Die Bankenrettung der Konservativen wird das Haushaltsdefizit auf über 30% explodieren lassen. Doch eigentlich sollte mit dem harten Sparkurs des Vorbilds das Defizit von 14,3% bis 2013 auf die Stabilitätsmarke von 3% gesenkt. Stattdessen entfernt man sich auf der Insel mit riesigen Schritten von diesem Ziel.
Doch das scheint weder Brüssel, noch Washington oder die Ratingagenturen besonders zu stören. Zur Rettung von Banken stehen scheinbar unbegrenzte Summen zur Verfügung. Wurde zunächst Griechenland als Hebel benutzt, so dient nun Irland dazu, um Portugal anzugreifen. Die Zinsen für portugiesische Anleihen sind auf neue Rekordstände von fast 6,5% geklettert. Das zeigt, dass Spekulanten am Werk sind. Portugal musste absurderweise gerade mit 6,24% sogar noch höhere Zinsen als Irland bezahlen, um zehnjährige Bonds zu platzieren.
Auffällig ist auch, dass mit Schuldenmeistern wie Italien, das Griechenland ja noch immer schlägt, deutlich entgegenkommender umgegangen wird, wenn dort Konservative regieren. Es drängt sich der Eindruck auf, dass man die Durchsetzung harter Maßnahmen wieder einmal den Sozialdemokraten aufbürdet, die das allerdings auch mit Kusshand annehmen, um die Macht nicht zu verlieren. Denn weder wird den konservativen Regierungen in Italien, Frankreich oder Großbritannien ähnliches auferlegt, was man Griechenland, Spanien oder Portugal aufzwingt, die aber höher verschuldet sind als Spanien oder Portugal. Frankreich denkt genauso über die Einführung einer Reichensteuer nach, wie sie in Großbritannien eingeführt wird. Absehbar ist, dass nun auch Portugal auf einen Generalstreik zusteuert, wie ihn gerade die Gewerkschaften in Spanien erfolgreich durchgezogen haben.