Portugal vor neuen Massenprotesten
Dem Protest des großen Gewerkschaftsverbands schließen sich auch die Empörten an, die die Regierung zum Rücktritt zwingen wollen
"Alle nach Lissabon, alle zum Schlossplatz" lautet das Motto für die heutigen Proteste in der portugiesischen Hauptstadt. Nach den großen Demonstrationen in den letzten Wochen wird erwartet, dass der große und bedeutsamste Platz in der Hauptstadt gefüllt wird, nachdem auch die Empörten-Bewegung sich dem Aufruf angeschlossen hat. Seit dem 12. September mobilisiert der kommunistisch dominierte Gewerkschaftsverband ( CGTP) zu einer Kundgebung, um gegen "neue brutale Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiter" zu kämpfen, sagte der CGTP-Generalsekretär Armenio Carlos. () Der große Platz "Terreiro do Paço", fügte er an, sei bisher "noch nie" gefüllt worden. Am Samstag soll damit die "einstimmige Ablehnung" der Sparpolitik ausgedrückt werden, die vor allem die einfache Bevölkerung trifft.
Doch seither hat sich einiges verändert. Wegen massiver Proteste am 15. September hat die konservative Regierung zentrale Sparvorhaben wieder zurückgenommen, zu denen die Empörten spontan aufgerufen hatten. Da sich auch die Gewerkschaften anschlossen, gingen vor zwei Wochen im ganzen Land knapp eine Million Menschen auf die Straße, weil die Regierung unter Pedro Passos Coelho den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung von 11 auf 18 Prozent erhöhen und im Gegenzug den Arbeitgeberanteil von 23,75 auf 18 Prozent senken wollte.
Damit hätten die Arbeitnehmer, die seit Beginn der Krise massiv an Kaufkraft verloren haben, erneut etwa einen Monatslohn im Jahr eingebüßt. Zudem wollte Coelho auch 2013 an der Streichung des 14. Monatsgehalts im öffentlichen Dienst festhalten. Dabei hatte es das Verfassungsgericht kürzlich die Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeld als verfassungswidrig erklärt. Die Richter hatten die Regierung aber, mit Blick auf die Sparauflagen der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU‑Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF), aus "höherem Interesse" nicht zur Nachzahlung verpflichtet.
Die Proteste, wie sie Portugal seit der Nelkenrevolution 1974 nicht mehr gesehen hat, führten auch zur Regierungskrise. Die rechte Volkspartei (CDS-PP) hatte sich genauso von den Vorhaben distanziert wie einige von Minister von Coelhos PSD. Vergangene Woche, als ein Treffen im Präsidentenamt von gut 15.000 Menschen belagert wurde, knickte Coelho ein und nahm die von der Troika diktierten Pläne zurück. Seither wird nach Alternativen gesucht, um die Troika-Auflagen zu erfüllen, die viele Portugiesen längst "zum Teufel" jagen wollen.
Mit den Protesten soll nachgesetzt und verhindert werden, dass die Einsparungen verlagert werden und trotzdem die einfache Bevölkerung treffen. Die Empörten fordern, die Proteste zu "radikalisieren", um die Regierung zum Rücktritt zu zwingen. Sie werfen der Regierung und der Troika vor, "eine soziale Blase aufzublähen, die kurz vor dem Platzen" sei. Ohne sich um die sozialen Belange der Bevölkerung zu scheren, "sind ihnen alle Mittel recht, um Banker und Reiche noch reicher zu machen". Die CGTP hat deshalb auch zum "nationalen Kampftag " für den 1. Oktober aufgerufen, mit dem der Verband das 42. Jubiläum begehen will. Am 5. Oktober wird zudem der Marsch gegen die Arbeitslosigkeit in Braga starten und gen Lissabon ziehen. Er wird am 13. Oktober in der Hauptstadt ankommen, am Tag darauf wird die Regierung den Haushalt vorstellen.