Proteste zur UN-Klimakonferenz: "Nicht nächstes Jahr. Nicht nächsten Monat. Jetzt!"
Wenig Vertrauen in die Regierungen: Klimaschützer wollen Druck auf die Verhandelnden in Glasgow machen
Die am Sonntag eröffnete UN-Klimakonferenz im schottischen Glasgow – Telepolis hat mehrfach berichtet – wird wie in den Vorjahren von den Protesten der Klimaschutzbewegung begleitet, die auf mehr Engagement der beteiligten Staaten drängt.
Besonders in Kopenhagen 2009 und Paris 2015 war es bei ähnlicher Gelegenheit zu massiver Repression durch die örtliche Polizei gekommen. Doch in Glasgow blieb bisher alles ruhig. Die erste große Demonstration war für den heutigen Nachmittag angekündigt.
Offener Brief an die UN-Klimakonferenz
Neben der Ikone der Fridays-for-Future-Bewegung, der jungen Schwedin Greta Thunberg, sind auch jugendliche Umweltschützer aus Deutschland und vielen anderen Ländern angereist. In einem offenen Brief an die Verhandlungsdelegationen kritisieren sie, dass die Klimakrise immer weiter angeheizt und "Milliarden für fossile Energieträger" ausgegeben werden. In dem Schreiben heißt es:
"Als Bürgerinnen und Bürger von überall auf dem Planeten, fordern wir Sie auf, dem Klimanotstand ins Gesicht zu sehen. Nicht nächstes Jahr. Nicht nächsten Monat. Jetzt.
- Erhalten Sie das wertvolle 1,5-Grad-Celsius-Ziel am Leben mit sofortigen und drastischen Reduktionen der jährlichen Emissionen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat.
- Beenden Sie alle Investitionen in und Subventionen für fossile Energieträger und stoppen Sie alle entsprechende Projekte, neue Erkundungen und Erschließungen von Lagerstätten.
- Beenden Sie die kreativen CO2-Berechnungsmethoden, indem Sie alle Emissionen für alle Verbrauchsindizes, Lieferketten, internationalen Luft- und Schiffsverkehr und die Verbrennung von Biomasse veröffentlichen.
- Zahlen Sie die versprochenen 100 Milliarden US-Dollar für die am meisten gefährdeten Länder mit einem zusätzlichen Fonds für Klimakatastrophen.
- Setzen Sie Klimapolitik um, die die Arbeiterinnen und Arbeiter und die am meisten gefährdeten Menschen schützt und reduzieren Sie alle Formen der Ungleichheit.“
Proteste auch in Lützerath
In verschiedenen Städten hat es im Vorfeld der Glasgower Klimakonferenz bereits Proteste gegeben, unter anderem in Rom, in München und hierzulande vor allem in dem winzigen Dörfchen Lützerath, am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler 2.
5000 Menschen sind dort am Sonntag zusammengekommen, um gegen den geplanten Abriss der letzten Dörfer – Telepolis hat in den letzten Wochen wiederholt berichtet – zu protestieren. Noch bis zum nächsten Wochenende wird es dort ein "Unräumbar-Festival" geben.
Am Rande der gestrigen Kundgebung waren rund 600 Aktive des Netzwerks "Ende Gelände" in ihren weißen Maleranzügen ausgeschert. Der größere Teil von ihnen konnte das Polizeiaufgebot umgehen und bis zum Tagebau vordringen. Ein Kohlebagger musste daher seinen Betrieb einstellen.
In einer Pressemitteilung von Ende Gelände heißt es, dass bei dem Vorstoß mehrere Menschen durch die Polizei verletzt worden seien, eine Person davon schwer. Man werde sich dennoch nicht aufhalten lassen.
"Der Kohle-Polizeistaat reagiert mal wieder mit nichts als Zerstörung und Gewalt", so Emilia Lange, Pressesprecherin von "Ende Gelände". Aber die Klimagerechtigkeitsbewegung lasse sich nicht aufhalten: "Auch ein überdimensioniertes Polizeiaufgebot mit Räumpanzern und Pferdestaffeln kann uns nicht stoppen. Wir schalten die Kohle ab, wenn wir es wollen, damit alle Dörfer leben – weltweit.“
Die „ewigen Lippenbekenntnisse der Regierungen“ habe man „nur noch satt“, heißt es bei „Ende Gelände“. Man wolle den „fossilen Kapitalismus mit samt seinen Kohlebaggern ins Museum“ schicken, so Lange.
Schulterschluss mit Streikenden
Auch bei Fridays for Future hat man wenig Vertrauen in die Regierungen und will daher in Glasgow mehr Druck von der Straße machen. Beteiligen wollen sich auch streikende Glasgower Gewerkschafter. Für den 5. November ist eine gemeinsame Demonstration geplant.
"Die neue Bundesregierung fährt ohne einen Plan nach Glasgow, wie Deutschland seinen gerechten Beitrag zur 1,5-Grad-Grenze leisten kann", so Anna Castro Kösel von Fridays for Future Deutschland.
Als einer der Hauptverursacherstaaten müsse Deutschland Kosten der Klimakrise übernehmen und weitere Zerstörung stoppen. "Immer noch fließen Milliarden Euro an fossilen Subventionen, immer noch wird der Kohleausstieg verschleppt. Gemeinsam mit Aktivist:innen der ganzen Welt stehen wir hier vereint für echte Klimagerechtigkeit. Der Wandel passiert durch uns auf der Straße, unsere letzte Hoffnung ist unser Handeln!"